Der geheime Zoo. Auf der Jagd nach den Yetis
sie überall aufgehängt hatten. Draußen hinterließen ein paar Schneeflocken helle Flecken in der Dunkelheit. Sie malten das Gras weiß, blieben aber nicht lange liegen. An einem Tisch untersuchte Richie das zerstörte Innenleben eines elektrischen Geräts. Noah lag auf einem großen Sitzsack und warf immer wieder einen Tennisball gegen die Decke. Megan blätterte durch eines ihrer Schulbücher, und Ella starrte aus dem Fenster.
«Es fühlt sich überhaupt nicht so an, als wäre bald Weihnachten», beschwerte sich Ella.
«Na ja, das könnte daran liegen, dass es so wenig geschneit hat», meinte Richie. «Aber ich schätze, es hat mehr mit der Tatsache zu tun, dass Yetis versuchen, uns umzubringen. Das kann einem die Festtagslaune schon ein bisschen vermasseln.»
Ella ging durch das Baumhaus. Sie drückte auf den Knopf eines Spielzeugschneemanns, der auf einem kleinen Tisch saß. Jede der drei Schneekugeln drehte sich in eine andere Richtung, während ein lausiger Hip-Hop-Song bekanntgab, er sei «der tanzende Schneemann! JUCHEI! JUCHEI! … Der tanzende Schneemann! JUCHEI! JUCHEI!»
«Am liebsten würde ich ihm eine scheuern», sagte Ella.
«Du hast ihn doch gekauft», erinnerte sie Megan.
«Habe ich das?»
«Ja, letztes Jahr. Weißt du nicht mehr? Du hast gesagt, du findest ihn super, weil er genau im richtigen Maß nerven würde.»
Ella zog die Augenbrauen hoch. «Oh. Stimmt.» Sie sah zu, wie der Schneemann seinen runden Rumpf in eine andere Richtung drehte. «Wie kann es sein, dass ich ihm jetzt bloß noch die Batterien klauen will?»
Als ihr niemand antwortete, ging sie hinüber zum Sitzsack und ließ sich neben Noah plumpsen, sodass der beinahe runterrollte. Als er sich am Stoff festhielt, knallte ihm der herabfallende Tennisball an den Kopf und rollte in eine Ecke.
«Und warum haben wir so lange nichts von Marlo gehört?», fragte Ella.
«So lange ist es nicht her», antwortete Noah. «Gerade mal zwei Tage.»
«Ja … für mich fühlt es sich länger an. Wie soll ich normal weiterleben, wenn alles so fürchterlich ist?»
«Ich weiß», sagte Megan. «Alles fühlt sich so … fremd an. Als würde man in einem Film leben.»
«Ein Film in einem Film», meinte Richie.
Noah nickte. Sein altes Leben schien nur noch eine ferne Erinnerung zu sein, seine Welt ein entfernter Ort. Seine neue Welt, die mit dem geheimen Zoo, war anders als alles, was er sich je hatte vorstellen können.
«Glaubst du, Tank geht es gut?», fragte Megan. «Ich meine … es hat ihn ganz schön erwischt.»
«Tank?», sagte Richie. «Der Typ steht nach einer Atombombe wieder auf.» Er hielt seinen Freunden ein elektrisches Teil hin. «Hey, wisst ihr, wie man die Feinsicherung auf der Platine austauscht?»
«Ungefähr genauso gut, wie ich weiß, wie man einen Satelliten baut. Oder eine Kuh melkt», antwortete Ella.
«Frag mich nicht», sagte Megan. «Ich hab keine Ahnung von Elektronik.»
Noah zuckte die Achseln.
Die Scouts schwiegen eine Weile. Die Lichterkette blinkte und malte Schatten in den Schnee. Noah streckte den Arm aus, um seinen Tennisball zu holen. Megan las in ihrem Buch. Richie tastete mit den Fingerspitzen durch seine elektrischen Teilchen. Ella stand auf, ging zum Spielzeugschneemann und drückte wieder auf den Knopf. Der Schneemann rollte sich herum, während sein Lied erklang: «Ich bin der tanzende Schneemann! JUCHEI! JUCHEI! … Der tanzende Schneemann! JUCHEI! JUCHEI!» Sie drehte ihn um und nahm die Batterien heraus.
Als die Scouts ihre Unterhaltung wiederaufnahmen, drehte sie sich um den geheimen Zoo. Eine Stunde verging, in der sie über die Grotten sprachen, die Portale, die Stadt der Artenvielfalt und die Sektoren. Sie erinnerten sich an ihre Abenteuer im Wasserturm, im geheimen SchlarAFFENland, dem Dunklen Land und im geheimen Kaulquappen-Sumpf. Sie sprachen über den Schattigen, über Kavita, über die Verbotenen Fünf und über all die Descender, die sie wohl noch treffen würden. Es gab so vieles im geheimen Zoo, was sie nicht verstanden. Würden sie es je tun? Noah hoffte es.
Irgendwann ging Ella zu dem kleinen Tannenbaum hinüber, der in einer Ecke des Forts stand. Er war nur etwa fünzig Zentimeter hoch, und seine dünnen Zweige hielten den wenigen Baumschmuck, der nur knapp der Mülltonne entronnen war. Der Baum selbst war trocken und schief und schien jeden Moment umfallen zu wollen.
«Ehrlich, Richie», sagte Ella, die wusste, dass er den Baum gekauft hatte, «hast du dieses Ding
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