Der Geheimnistraeger
große Hilfe gewesen. Ich will Sie noch einmal an die absolute Schweigepflicht erinnern, die die Firma Compton & Floyd allen ihren Auftraggebern gegenüber hat.«
Der Mann erhob sich.
»Wir werden dafür sorgen, dass Sie so rasch wie möglich nach Hause kommen«, sagte er. »Aber erst müssen wir noch … das Mikrofon entfernen.«
»Und wer sind wir ?«
Der Mann lächelte erneut und streckte seine Hand aus. Espen wandte sein Gesicht ab.
Zwei Stunden später wurde Espen in einer Limousine mit getönten Scheiben vom Luftwaffenstützpunkt weggebracht. Sie fuhren Richtung Sonne, nach Westen. Espen stellte fest, dass die Straßenschilder polnisch waren. Ihr Ziel war der internationale Flughafen von Warschau. Er befand sich irgendwo in Ostpolen.
Espen lächelte. Polen. Einer der engsten Verbündeten der USA im Irak-Krieg.
In der Limousine saßen drei weitere Männer, alle in Anzügen. Bevor Espen am Flughafen ausstieg, reichte ihm einer von ihnen eine Tasche.
»Eine Million Dollar, Mr. Krogh«, sagte er. »Hier ist auch noch ein provisorischer Pass. Gehen Sie durch die Passkontrolle für die Diplomaten, es ist bereits alles vorbereitet. Gute Reise.«
Dann fuhren sie davon. Espen blieb einen Augenblick mit der Tasche in der Hand stehen und schaute dem Auto hinterher. Dann betrat er das Abfertigungsgebäude.
»Können wir Ihnen etwas zu trinken anbieten?«
Espen schaute zu der lächelnden Stewardess hoch und dann auf den Wagen mit den Getränken, auf dem 5-cl-Fläschchen mit Spirituosen standen. Er sah wieder zu ihr hoch und schüttelte den Kopf.
Er klopfte spielerisch mit den Fingern auf der Tasche, die er auf den Knien hatte, ein kleines Trommelsolo. Er fragte sich, was Simone wohl gerade tat. Er hatte sie seit über zwei Jahren nicht mehr gesehen und auch nicht mit ihr gesprochen. Er wusste jedoch, dass ihre Nummer immer noch im Stockholmer Telefonbuch stand. Einen eigenen Anschluss, den sie sich nicht mit irgendeinem Mann teilte.
Vielleicht sollte er sie ja anrufen, wenn er nach Hause kam. Genau. Er würde sie anrufen.
58. Kapitel
Die Veröffentlichung der Fotos von Paolo Rocca, Iman Amin und Amin zusammen mit dem Unbekannten und dem Kinderwagen brachte zwei Hinweise ein, die zusammenzuhängen schienen. Ein Mann und eine Frau riefen unabhängig voneinander beim Morddezernat an und berichteten, Amin in der Bahn zwischen Malmö und Kopenhagen gesehen zu haben. Die Frau war sich ihrer Sache sicher. Sie hatte dem Paar gegenübergesessen und gefunden, dass Amin ein interessantes Gesicht hatte. Deswegen hatte sie sie etwas eingehender betrachtet als eigentlich üblich. Im öffentlichen Nahverkehr, wo erwartet wurde, dass man den Blicken der anderen auswich, war das eigentlich ein Verstoß gegen die Etikette. Der Anrufer war sich nicht ganz so sicher gewesen, aber ihm hatte die goldbraune Haut Amins gefallen. Deshalb hatte er sie zur Kenntnis genommen.
Die Frau pendelte täglich zwischen den beiden Städten und wusste nicht, wann sie Iman Amin gesehen hatte. Der Mann war jedoch in den letzten Monaten nur ein einziges Mal mit dem Zug unterwegs gewesen und zwar am Vormittag des Tages, an dem der Mord auf dem Rådhuspladsen begangen worden war. Er hatte den Zug um 11.02 Uhr genommen und war sogar noch im Besitz der Fahrkarte. Møller, der den Anruf entgegengenommen
hatte, rief daraufhin wieder die Frau an und fragte sie, wann sie morgens zur Arbeit zu fahren pflege.
»Um acht«, antwortete sie. »Ich fange um neun Uhr an.«
»Fahren Sie nie später?«, fragte Møller.
»Nein«, erwiderte die Frau. »Außer das eine Mal vor ein paar Wochen. Da war ich beim Zahnarzt. Da bin ich vermutlich erst um zehn oder um elf gefahren.«
Der Zahnarzt bestätigte, dass es sich um den fraglichen Morgen gehandelt hatte. Møller machte das Victory-Zeichen mit der Rechten. Jetzt hatte er den Weg der Mörder zum Hauptbahnhof rekonstruiert.
»Sie kamen also aus Malmö«, sagte Skov, nachdem ihm Møller die Anrufe referiert hatte.
»Es hat ganz den Anschein«, erwiderte dieser.
»Wir nehmen Kontakt zu unseren schwedischen Kollegen auf, damit alles seine Richtigkeit hat«, meinte Skov. »Erkundige dich bei der Passkontrolle auf dem Flughafen in Malmö …«
»Sturup«, warf Møller ein.
»Ja, und bei den Häfen in Schonen, wo die Fähren aus Deutschland anlegen, ob dort jemand unsere Mörder gesehen hat. Und fragt bei den Hotels in Malmö nach. Irgendwo müssen sie schließlich in der Nacht zuvor gewohnt
Weitere Kostenlose Bücher