Der Geheimnistraeger
vor Gericht gestellt worden seien. Das gelte auch für den oder die Dänen, die den Terroristen mit Informationen über Waffendepots und über die Verhältnisse beim Panzerregiment Slagelse behilflich gewesen seien. Er dankte dem dänischen Militär für seinen »hervorragenden und mutigen Einsatz, als die Panzer der Terroristen unschädlich gemacht worden« seien.
Dann ging er zu dem aus politischer Sicht brisantesten Punkt über. Offenbar war der Gegenangriff von einer privaten, paramilitärischen Truppe mit Mitgliedern verschiedener Nationalitäten durchgeführt worden. Die elektronische Überwachung der Aktivitäten im Hotel ließ nur einen Schluss zu, nämlich dass der Zweck des Angriffs die Befreiung eines amerikanischen Staatsangehörigen gewesen sei, dessen Name aus Sicherheitsgründen nicht veröffentlicht werden dürfe. Die Einsatztruppe habe ohne Genehmigung und Wissen der Regierung gehandelt. Die Aktion sei als unerlaubte Einmischung in Dänemarks interne Angelegenheiten zu betrachten und stelle einen Verstoß gegen internationales Recht dar. Ein Ermittlungsverfahren sei eingeleitet worden, um zu klären, wer die eigentliche Verantwortung für dieses Verbrechen trüge. Hierbei solle ebenfalls ermittelt werden, ob diese Einsatztruppe den Tod unschuldiger Menschen zu verantworten habe. Der Ministerpräsident betonte jedoch, dass die Einsatztruppe dazu beigetragen habe, die Terroristen unschädlich zu machen, was durchaus zu ihren Gunsten
spräche, wenn später einmal die Schuldfrage geklärt werden solle.
»Ein Mitglied dieser paramilitärischen Truppe ist gefangengenommen worden«, erklärte der Ministerpräsident weiter. »Es handelt sich um eine Söldnerin, die in Korsør festgenommen wurde. Es werden derzeit Vernehmungen mit ihr durchgeführt, um Licht in die Ereignisse zu bringen. Außerdem hat es den Anschein, als sei zudem ein dänischer Staatsbürger an der Planung der illegalen Gegenaktion beteiligt gewesen. Dieser Mann bekleidete einen wichtigen Posten im staatlichen Sektor, der es ihm ermöglichte, den Gegenangriff der Einsatztruppe zu unterstützen. Seine genaue Rolle im Gesamtablauf werden die weiteren polizeilichen Verhöre zweifellos noch klären können.«
Als Vincent Paulsen diese Worte des Ministerpräsidenten hörte, schloss er die Augen. Dann schaltete er den Fernseher aus.
»Er spricht von mir«, sagte er.
Birthe verstand ihn nicht. Sie bat ihn um eine Erklärung. Er erzählte alles, von Lydia, den heimlichen Hilfsaktionen seiner Schwester Karoline, von den Telefongesprächen mit dem Sommerhaus in Tisvildeleje und mit Korsør. Das Einzige, was er nicht erwähnte, war, was sich in seinem Inneren abgespielt hatte. Für Birthe war dieser Bericht in allerhöchstem Grade beunruhigend. Gleichzeitig war sie aber auch erleichtert. Ihre unausgesprochenen Fragen über die Wandlung ihres Ehemanns im Frühjahr erhielten jetzt endlich eine Antwort.
»Ein Insider auf beiden Seiten«, sagte er dann. »Ein dänischer Verräter auf Seiten der Terroristen und eine Person, die mit der Einsatztruppe zusammenarbeitete. So sieht der Plan aus. Die Sündenböcke. Die Journalisten werden Jagd auf sie machen statt auf die Politiker. Falck Pedersen hatte sich Luft verschafft. Aber mich wird man kreuzigen.«
Birthe legte ihm einen Arm auf die Schultern. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte.
Eine Viertelstunde später klingelte es. Vor der Tür standen vier von Paulsens Kollegen von der Polizei Kopenhagen. Sie wirkten verlegen. Vincent drehte sich um, nahm seine Jacke und folgte ihnen zu dem wartenden Auto.
Die Telecomgesellschaft konnte keine Auskünfte darüber geben, wer in dem Hotel in Malmö wegen Paolo Roccas Tasche angerufen hatte. Das Gespräch sei von einem Handy mit Prepaidkarte geführt worden. Der Standort des Sendemasts ermöglichte jedoch, den Besitzer des Telefons geographisch zu orten. Er hatte sich in der Gegend von Billinge, dreißig Kilometer nördlich von Malmö, aufgehalten.
Skov fuhr sofort mit einem dänischen Kollegen und zwei Beamten aus Malmö dorthin. Sie hatten Fotos des Mörders neben dem Kinderwagen und Bilder von mehreren der getöteten Terroristen dabei. Skov war sich jedoch dessen bewusst, dass auch eine ganz andere Person angerufen haben konnte, ein vollkommen Unbekannter aus dem Hintergrund. Das Einzige, was sie mit Sicherheit wussten, war, dass der Mann Englisch gesprochen hatte.
Sie parkten vor dem ICA in Billinge. Die vier Beamten teilten sich in zwei Gruppen
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