Der Geheimnistraeger
hinauslaufen.«
»Ich glaube, ich verstehe«, meinte Skov. »Und was wollte dieser Makler?«
»Es ging um Optionsgeschäfte in Milliardenhöhe. Wissen Sie, was das ist?«
»Natürlich«, antwortete Skov. »Es handelt sich um Spekulationen auf Aktienbewegungen.«
Nielsen zog die Brauen hoch. »Genau«, sagte er. »Alle Achtung. Wie auch immer, es handelt sich um einen legitimen und normalen Teil des Börsenhandels.«
»Aber?«, sagte Skov.
»Diese Optionen wurden kurz nach dem Angriff auf Korsør fällig.«
Skov beugte sich vor. »Sie waren also derjenige, der die dänische Seite des Geschäfts vermittelt hat?«
»Wissen Sie schon davon?«, fragte Nielsen.
»Ja, Nielsen, und das, was ich Sie jetzt frage, ist von großer Bedeutung: Wissen Sie, wer hinter diesen Spekulationen steckt?«
Per Nielsen schüttelte den Kopf. »Ich weiß nur, welcher Makler sich mit mir in Verbindung setzte und wer bei diesen Geschäften hier in Dänemark Geld verloren hat. Wer an diesen Geschäften verdient hat, weiß ich nicht.«
»Nennen Sie mir den Namen des Maklers.«
Per Nielsen schrieb einen Namen auf ein Papier.
»Und jetzt noch die Namen der Leute, die ihr Geld verloren haben.«
Nielsen brachte einige weitere Namen zu Papier. Skov nahm es entgegen und las schweigend.
»Vielen Dank, Herr Nielsen«, sagte Skov. »Es gibt internationale Methoden, mit denen sich solche verschlossenen Bankgewölbe dann doch öffnen lassen.«
Skov erhob sich, um Nielsen die Hand zum Abschied zu reichen, aber dieser blieb sitzen.
»Da war noch etwas«, sagte er.
»Ja?«
Nielsen zögerte. Er seufzte. »Ein neues Geschäft ist von demselben Makler bereits vereinbart worden.«
Skov setzte sich wieder. »Aha?«, fragte er etwas dümmlich.
»Stichtag ist Montag«, erwiderte Nielsen. »Es handelt sich um einen fünfzigmal so hohen Betrag, verteilt auf verschiedene Länder.«
»Hundert Milliarden?«, sagte Skov. »Jetzt am Montag?«
»Ja«, antwortete Nielsen. »Meine Kunden sind beunruhigt. Sie sind die Käufer und haben gesehen, was letzten Montag nach der Besetzung passiert ist. Jetzt fragen sie sich, ob …«
»Was?«, fragte Skov.
»Ob etwas Neues passiert. Etwas Größeres. Sie wollen, dass ich ihnen dabei behilflich bin, von dem Geschäft zurückzutreten. «
Skov fasste sich, ohne es zu wollen, an die Stirn.
»Nielsen«, sagte er, »wenn ich Sie richtig verstehe, dann sind die finanziellen Verluste im Augenblick unsere kleinste Sorge. Was genau könnte Ihrer Meinung nach passieren?«
Nielsen schüttelte den Kopf. »Etwas … viel Schlimmeres.«
63. Kapitel
Zwei Beamte hatten Lydia Tamaradze den ganzen Mittwoch über in Zwei-Stunden-Blöcken, einzig von Toilettenbesuchen und Mahlzeiten in ihrer Zelle unterbrochen, verhört. Sie hatten sie detailliert über ihren Aufenthalt in Dänemark vor und während der Tage der Gewalt in Korsør befragt. Sie hatte alle Fragen so wahrheitsgetreu wie möglich beantwortet. Sie weigerte sich aber immer noch, auszusagen, wer ihre Helfer gewesen waren. Sie wusste zwar, dass es kaum einen Unterschied machte, denn die Polizei würde ohnehin alles herausfinden. Für Lydia war es jedoch Ehrensache.
Sie erkannte an den Folgefragen, dass die Polizisten ihr nicht glaubten. Sie gingen davon aus, dass sich unter dem Deckmantel der Asylbewerberin eine andere Person verbarg. Dass hinter ihren Taten andere als rein private Motive steckten. Sie befragten sie über die Einsatztruppe, was das für Leute gewesen und woher sie gekommen seien. Sie wollten ihre Antwort, dass sie das nicht wisse, nicht akzeptieren.
An diesem Donnerstagmorgen wartete sie nun darauf, dass eine Wache sie abholen und in den Vernehmungsraum bringen würde. Sie trug einen verschliessenen blauen Overall und überlegte, welche Menschen ihn wohl vor ihr getragen hatten. Was hatten sie wohl verbrochen, um hier zu landen? Der Overall
stand ihr nicht sonderlich gut. Als sie in Suchumi studiert hatte, hatte sie sehr viel Wert auf ihr Äußeres gelegt. Während des Krieges hatte sie dann aufgehört, sich zu schminken, und ihre Haare kurz geschnitten. In Dänemark hatte sie wieder angefangen, an ihr Aussehen zu denken. Ihr war aufgefallen, dass die Blicke des groß gewachsenen Polizeibeamten Vincent während ihrer Unterhaltung oft auf ihr geruht hatten. Manchmal wirkte es, als höre er ihr nicht zu und als würden sich seine Gedanken in nichts auflösen, wenn er sie anschaute. Sie erinnerte sich aus ihren Studentenzeiten an diese Art von
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