Der Geheimnisvolle Eremit
dafür zu sorgen, daß er von jedem Verdacht reingewaschen wird. Abgesehen natürlich von einem gelegentlichen Diebstahl, den er begehen mußte, als er im Wald lebte und Hunger hatte, und abgesehen von ein oder zwei Lügen, die er vorbringen mußte, um am Leben zu bleiben. Aber das wird Hugh ihm nicht übel nehmen. Und damit dürfte auch die Frage nach Cuthreds Priesterweihe ein für alle Mal erledigt sein, falls überhaupt noch jemand zweifelt. Durch eine plötzliche Bekehrung mag ein Soldat durchaus zum Eremiten werden, aber zum Priesteramt gehört doch etwas mehr.
Er wartete in seiner Werkstatt im Kräutergarten auf Hugh, der nach dem Gespräch mit dem Abt sicher zu ihm kommen würde.
Cadfael hatte die Vertrautheit seiner stillen, heimelig duftenden Hütte in der letzten Zeit nur selten genießen können. Er durfte nicht vergessen, seine Vorräte für den Winter zu ergänzen, bevor die Erkältungen und Hustenanfälle kamen und die Gelenke der älteren Brüder krachten und knirschten. Bruder Winfrid kam mit der Arbeit im Garten, mit Umgraben und Jäten und Pflanzen, allein zurecht, doch was die Kräuter anging, hatte er noch einiges zu lernen. Noch ein Ritt zu Eilmund, dachte Cadfael, um zu sehen, wie es ihm geht und um Hyacinth wissen zu lassen, daß er jetzt aus seinem Versteck kommen und für sich selbst sprechen kann. Und dann will ich froh sein, mich wieder meiner Arbeit hier im Kräutergarten widmen zu können.
Hugh kam nach einer Weile durch die Gärten und setzte sich mit einem kurzen, nachdenklichen Lächeln neben seinen Freund. Er schwieg eine Weile. »Was ich nicht verstehe«, sagte er schließlich, »ist, warum er es tat. Was immer er war, was immer er davor getan hat, anscheinend hat er sich nichts zuschulden kommen lassen. Welche Gefahr kann er nur gesehen haben, die ihn veranlaßte, Bosiets Mund für immer zu verschließen? Es mag verdächtig erscheinen, die Kleidung, die ganze Erscheinung und die Lebensart so plötzlich zu verändern, aber es ist kein Verbrechen. Was gab es, das einen Mord gerechtfertigt hätte? Was kann von solcher Tragweite sein außer einem anderen Mord?«
»Ah!« erwiderte Cadfael mit einem erleichterten Seufzen.
»Ich dachte mir schon, daß Ihr die Dinge gesehen habt wie ich.
Allerdings glaube ich nicht, daß es ein Mord war, den er unter dem Schutz des Einsiedlergewandes und der Klause im Wald verbergen wollte. Das war in der Tat mein erster Gedanke, aber ganz so einfach ist es nicht.«
»Wie so oft«, sagte Hugh und lächelte etwas verschlagen, »wißt Ihr anscheinend etwas, das mir entgangen ist. Und was hatte die Frage nach seinem Pferd unten in Thame zu bedeuten? Was hat sein Pferd überhaupt damit zu tun?«
»Nicht sein Pferd, sondern die Tatsache, daß er keines hatte.
Wann reist schon ein Soldat oder ein Ritter ohne Pferd? Aber ein wandernder Pilger fällt nirgends auf. Und was mein Wissen um Geheimnisse angeht, so gibt es tatsächlich etwas, das ich Euch schon lange berichtet hätte, wenn man es mir erlaubt hätte – ja, Hugh, ich weiß etwas. Ich weiß, wo Hyacinth ist.
Gegen meinen Willen mußte ich versprechen, nichts zu sagen, solange Aymer Bosiet nicht seine Suche aufgegeben hatte und abgereist war. Das hat er jetzt getan, und nun kann der Junge herauskommen und für sich selbst sprechen, was er, vertraut mir, durchaus tun kann.«
»Das war es also«, sagte Hugh und beäugte seinen Freund ohne besondere Überraschung. »Nun, man kann ihm seine Vorsicht nicht verdenken, denn er kannte mich ja nicht. Und nach allem, was ich wußte, hätte er durchaus Bosiets Mörder sein können. Wir wußten von keinem anderen, der einen Grund zu einer solchen Tat gehabt hätte. Nun braucht er über diese Angelegenheit kein Wort mehr zu verlieren, das Verbrechen ist aufgeklärt und gesühnt. Und was seine Freiheit angeht, so hat er in dieser Hinsicht nichts von mir zu befürchten. Ich habe genug zu tun und bin nicht bereit, für Northamptonshire den Botenjungen zu spielen. Holt ihn aus dem Versteck, wann immer Ihr wollt. Er könnte einige Dinge erklären, die wir noch nicht wissen.«
Das dachte auch Cadfael, als er überlegte, wie wenig Hyacinth über seine Beziehung zu seinem ehemaligen Herrn verraten hatte, obwohl er sonst offen alles über seine Flucht und die Anschläge in Eilmunds Wald erzählt hatte. Nun aber war Cuthred tot und als Mörder bekannt, und Hyacinth mochte bereit sein, seine Offenheit auf den Toten auszudehnen, auch wenn ihm gewiß nichts Böses über
Weitere Kostenlose Bücher