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Der Geheimnisvolle Eremit

Der Geheimnisvolle Eremit

Titel: Der Geheimnisvolle Eremit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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Und sie würde sich mit dem gleichen wilden Mut und der gleichen Beharrlichkeit, mit der sie bisher ihre Schlachten geschlagen hatte, den Dingen stellen, die ihr bevorstanden.
    »Vater«, sagte sie plötzlich und wandte sich entschlossen an den Abt, »wollt Ihr meine Beichte hören, wenn ich heute abend zur Abtei komme? Ich werde besser schlafen können, wenn ich mich meiner Sünden entledigt haben.«
    »Das will ich tun«, antwortete Radulfus.
    Nun war sie bereit, sich nach Hause begleiten zu lassen, und Fulke bot sich sofort an, ihren Begleitschutz zu übernehmen.
    Der Mann würde sich, wenn er erst mit ihr allein war, zweifellos erheblich mitteilsamer zeigen als hier in der Gesellschaft von Fremden. Er besaß nicht ihre Intelligenz und nicht annähernd ihre Phantasie. Wenn Cuthreds Tod ihn überhaupt belastete, dann empfand er höchstens Zorn darüber, daß er die Gültigkeit der Eheschließung seiner Tochter nicht mehr beweisen konnte.
    Er spürte keineswegs eine Knochenhand auf der Schulter. Das dachte jedenfalls Bruder Cadfael, als er Fulke zusah, der Dionisia zu ihrem angepflockten Pony führte; anscheinend hatte er es eilig, sie aus der einschüchternden Gegenwart des Abtes zu bringen.
    Im letzten Augenblick, sie hatte schon die Zügel in der Hand, drehte sie sich noch einmal um. Ihr Gesicht hatte seine stolze Spannung und Kraft zurückgewonnen, sie war wieder ganz die Alte.
    »Mir fällt erst jetzt wieder ein«, sagte sie, »daß der Sheriff sich Gedanken über das Kästchen dort auf dem Altar gemacht hat. Es gehörte Cuthred. Er hat es mitgebracht.«
    Als sich der Abt, die Leichenträger und Hugh auf ihrem langsamen und bedrückten Rückweg zur Abtei befanden, nahm Cadfael sich noch Zeit für einen letzten Blick in die verlassene Kapelle. Er wollte die Gelegenheit nutzen, sich allein und ohne Ablenkung gründlich umzusehen. Auf den Bodenplatten, wo der Körper gelegen hatte, war kein einziger Blutstropfen zu sehen; nur ein oder zwei Tropfen, die von der Spitze von Cuthreds Dolch heruntergefallen waren. Cuthred hatte seinen Gegner also verletzt, wenn die Wunde auch nicht tief war. Cadfael bemerkte eine Spur von Blutstropfen vom Altar bis zur Tür und folgte ihr mit einer neuen Kerze in der Hand. In der Kapelle fand er nichts weiter, und im Vorraum bestand der Boden aus festgetretener Erde, auf der nach so vielen Stunden derart schwache Spuren kaum noch zu entdecken waren. Doch auf der Türschwelle fand er drei weitere Tropfen, getrocknet, aber deutlich zu sehen, und auf dem neuen, makellos sauberen Holz, mit dem der linke Türpfosten repariert worden war, entdeckte er in der Höhe seiner eigenen Schulter eine Blutspur – dort war ein aufgeschnittener, blutiger Ärmel vorbeigestreift.
    Also ein Mann, der nicht größer war als er selbst, und den Cuthreds Dolch links an der Schulter oder am Oberarm erwischt hatte, wie es bei einem aufs Herz gezielten Stoß wohl geschehen mochte.
    Cadfael hatte ursprünglich die Absicht gehabt, zu Eilmunds Hütte zu reiten, doch nun besann er sich. Es schien ihm, daß es besser war, die Reaktionen der Anwesenden zu beobachten, wenn Cuthred in den Hof der Abtei gebracht wurde – das Entsetzen der meisten, die Erleichterung einiger weniger und verräterische Gesten bei einem einzigen. Statt die Abkürzung über die Waldwege zu nehmen, ritt er eilig auf der Hauptstraße nach Shrewsbury zurück, um die Leichenprozession zu überholen.
    Sobald sie die Vorstadt betraten, bekamen sie ein neugieriges Publikum, und die Schar vorlauter Jungen und der zugehörigen Hunde blieb ihnen auf der ganzen Hauptstraße auf den Fersen. Sogar die respektableren Bürger folgten ihnen in etwas diskreterem Abstand – eingeschüchtert von Abt und Sheriff und dennoch begierig alle Neuigkeiten aufschnappend und eifrig Gerüchte ausbrütend. Als der Zug zum Torhaus einbog, sammelten sich die Leute vom Markt und aus den Werkstätten und Schenken vor dem Tor, um ihnen erwartungsvoll nachzustarren und begeistert alle möglichen Spekulationen auszutauschen.
    Und als die Bahre aus der Welt von draußen in den großen Hof getragen wurde, da stand eine zweite Leichenprozession zum Aufbruch bereit. Drogo Bosiets versiegelter Sarg war auf einem niedrigen, leichten Karren festgezurrt, der samt Fahrer für die erste Tagesreise, die über gute breite Straßen gehen würde, in der Stadt angeheuert worden war. Warin hielt die Zügel zweier gesattelter Pferde, während der jüngere Knecht eine pralle Sattelrolle

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