Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)
war sich nicht sicher, worauf sie hinauswollte.
»Alle glauben das, ja? Also auch die Leute in Neu Klemzig oder meine Eltern in Salkau. Stimmt das?«
Tanner zuckte mit den Schultern und machte eine hilflose Bewegung mit den Händen. So genau hatte er darüber noch nicht nachgedacht, aber es stimmte natürlich. Sie hatte auf der Liste gestanden, und solange sie nicht selbst bei den entsprechenden Stellen das Gegenteil behauptete, würde sie als verschollen beziehungsweise als tödlich verunglückt gelten.
»Ja. Wir sollten wirklich bald zur Polizei, um das aufzuklären. Wollen wir gleich morgen in die Stadt?« Er hätte wirklich schon eher daran denken können, aber er hatte Helene zu nichts drängen wollen.
Sie schüttelte den Kopf.
»Nein, es ist gut so. Sollen sie ruhig glauben, dass ich mit Katharina untergegangen bin. Auf gewisse Weise stimmt das ja auch.«
»Was sagst du denn da? Willst du denn nicht, dass deine Eltern und Freunde wissen, dass du noch am Leben bist?«
Sie sah ihn lange an. Dann strich sie sich eine Strähne aus dem Gesicht, und zu seiner Überraschung nahm sie seine Hand in die ihre.
»Ich will von vorne anfangen. Eine Helene Junker gibt es ab sofort nicht mehr. Wirst du mir dabei helfen, John?« Sie drückte seine Hand.
John schwieg eine Weile. Er ahnte, wovon sie sprach.
»Überlege dir diesen Schritt gut. Nimm dir Zeit zum Nachdenken, und was immer du dann tun willst, du kannst auf mich zählen.«
»Gut. Dann lass uns nicht mehr über Helene Junker reden.«
Helen nahm einen Schluck von ihrem Scotch und setzte sich neben ihn auf die Bank. John sah sie eine Weile von der Seite an.
»Wie heißt es?« Helens Worte rissen ihn aus seinen Gedanken. »Wie heißt was?«, fragte er verwirrt.
»Na, dieses Lied aus dem Pub.«
»Da muss ich erst mal überlegen. Warte. Danny Boy. Es heißt Danny Boy. Jetzt frag mich bitte nicht, wieso.« Er legte den Arm um ihre Schulter. »Sollten wir nicht bald zusammenziehen? Was meinst du?«
Sie blickte zu Boden.
»Ich kann das noch nicht«, sagte sie leise. »Bitte hab Geduld mit mir.«
»Natürlich, entschuldige Liebes.« Er strich ihr mit dem Handrücken über die Wange, Helene versuchte sich an einem Lächeln.
Plötzlich schlug Digger an und lief in Richtung Tor. Von weitem erkannten sie Parri und Amarina. Helens Körperhaltung straffte sich. Hatten die beiden endlich etwas über den Verbleib der Kinder in Erfahrung bringen können? Helen eilte die Stufen hinunter und lief ihnen entgegen. John beobachtete von der Veranda aus, wie sie die Freunde umarmte. Aus der Entfernung konnte er ihre Worte nicht verstehen, doch er sah, dass es ein intensives Gespräch war. Immer wieder blieben sie auf der kurzen Strecke zum Haus stehen und diskutierten. Plötzlich bemerkte er, wie Helen zusammensackte und auf die Knie fiel. Die Freunde beugten sich gleich über sie, John sprang sofort auf. Parri und Amarina hatten Helen hochgezogen und stützten sie von beiden Seiten. Ihr Körper wirkte schlaff, und das Gesicht blieb dem Boden zugewandt. Sie wimmerte.
»Was ist passiert?«, fragte Tanner. Er nahm Helen auf den Arm. Amarina und Parri sahen einander an. Amarina atmete schwer.
»Wir haben die Kinder gefunden. Die Mädchen sind wieder bei den Orta«, erklärte Parri.
»Das sind großartige Neuigkeiten.« Er strahlte und küsste Helen auf den Scheitel. Ihr Gesicht hatte sie gegen seine Brust gepresst. Dann sah er Parri und Amarina auffordernd an. »Und wo ist Nellie?« Die beiden schwiegen, Amarina machte einen Schritt auf ihn zu und legte ihre Hand auf seinen Arm.
»Nellie ist nicht mehr in Australien«, sagte Parri. »Wir sind zu spät gekommen. Deutsche Missionare haben sie adoptiert. Letzte Woche sind sie nach Berlin abgereist.«
Berlin, 18. März 2010
N atascha hätte sich am liebsten die Augen gerieben, als sie ihre Tür öffnete und Alan vor ihr stand.
»Wer hat dich denn ins Haus gelassen?« Etwas Netteres oder auch nur Angemesseneres war ihr auf den Schreck hin nicht eingefallen.
Alan legte den Kopf schief und lächelte sie an. Die Überraschung war ihm gelungen, und Natascha glaubte, ihm die Befriedigung über seinen Coup aus dem Gesicht ablesen zu können. Sie war eigentlich auf dem Sprung zur Arbeit gewesen und reichlich verwirrt. Alan und sie hatten sich seit dem Streit in Cairns nicht mehr gesprochen; nach ein paar Wochen hatte sie auch nicht länger daran geglaubt, ihn wiederzusehen. Natürlich hatte sie nachgedacht – über ihn, über
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