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Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)

Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)

Titel: Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Dutton
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dem Summen lösten sich einzelne Worte, sie wurden immer mehr, bis sie nach einer Weile einen Text ergaben, und nun ging ihm auch das Spiel leichter von der Hand. Er musste nicht mehr zusehen, wie seine Finger in die Saiten griffen. Er hob den Blick und ließ ihn über das Tal schweifen. Dann sang er:
    And when ye come, and all the flow’rs are dying
    If I’m dead, as dead I well may be
    Ye’ll come and find the place where I am lying
    And kneel and say an Ave there for me.
    »Was singst du da?« Helen stand mit zwei Gläsern Scotch bewegungslos in der Tür. John legte die Gitarre weg und stand auf.
    »Ach, nichts weiter. Ein Lied aus Irland, das habe ich gestern im Inn gehört. Du hast schon geschlafen, und mir war so heiß, da bin ich nochmals runtergegangen. Da war dieser junge Viehtreiber und hat es gesungen. Ging mir nicht mehr aus dem Schädel. Ein seltsames Lied, findest du nicht auch?«
    Helen nickte abwesend. Sie versuchte, die englischen Worte im Geiste ins Deutsche zu übersetzen.
    Und wenn du kommst, und alle Blumen sterben,
    falls ich tot bin, denn tot kann ich durchaus ja sein
    Dann wirst du kommen und den Ort finden, wo ich liege
    Du kniest dich hin und sprichst ein Ave für mich.
    Ja, diese Liedzeilen waren tatsächlich merkwürdig; sie berührten sie.
    »Komm, Darling, ich nehm dir die Drinks ab.« Helen löste sich aus ihrer Starre und gab John sein Glas.
    » Cheers, Mrs. Tanner. Auf uns, auf unseren Tanz. Lange genug hab ich ja drauf warten müssen.« Er hob sein Glas, um anzustoßen. »Ist was, Liebes?« Ihr Blick war wieder nach innen gekehrt, wie so oft in den letzten Monaten. Ihr kleiner Ausflug nach Innisfail, der lang versprochene Tanz, beides hatte sie in einer Weise lächeln lassen, die John Tanner hoffen ließ, seine Frau würde sich langsam wieder dem Leben zuwenden. Jetzt erkannte er, dass diese Hoffnung trügerisch gewesen war.
    »Ach, nichts, es ist nur … Ich habe dieses Lied schon einmal irgendwo gehört, und ich kann mich nicht erinnern, wo.« Helen lehnte sich gegen das Geländer und stieß gedankenverloren mit ihm an. »Na, ist ja auch egal. Es gefällt mir jedenfalls, auch wenn es so traurig klingt.« Sie lächelte ihm zu.
    »Merkwürdig, dass du es schon mal gehört haben willst. Der Viehtreiber meinte nämlich, es sei gerade erst aus Irland über den großen Teich geschwappt. Aber wer weiß? Vielleicht erinnert dich die Melodie nur an einen anderen Song.«
    »Magst du es noch einmal für mich spielen?«
    John griff zur Gitarre und sang dazu.
    And I shall hear, though soft you tread above me
    And all my grave will warmer, sweeter be
    For you will bend and tell me that you love me,
    And I shall sleep in peace until you come to me.

    Und ich werde dich hören,
magst du auch noch so sanft über mir wandeln
    Und mein Grab wird wärmer und süßer sein,
    Denn du beugst dich zu mir herunter und sagst mir,
dass du mich liebst.
    Und ich werde in Frieden schlafen,
bis du zu mir kommst.
    Als Tanner wieder zu Helen aufsah, bemerkte er, dass sich ihre Augen mit Tränen gefüllt hatten. Erschrocken stand er auf und umarmte sie. »Was ist los? Sag doch was!«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Ich weiß es nicht. Dieses Lied … ich kenne es. Es ist mein Lied, ich hab es geträumt. Warrun … Das Lied, das Amulett und die blauen Schmetterlinge … Ach, ich …«
    Tanner drückte seine Frau zärtlich an sich.
    »Pst. Ist ja schon gut.«
    Helen löste sich aus der Umarmung und schlug die Hände vors Gesicht. Sie schluchzte.
    Tanner küsste sie auf die Wange und streichelte ihr übers Haar. Er hätte sich ohrfeigen mögen. Diese Liedzeilen waren weiß Gott nicht dazu angetan, eine trauernde Frau aufzuheitern. Insbesondere nicht eine Frau, die alles verloren hatte. Seine Frau.
    Er erinnerte sich daran, wie lange sie das Unglück nicht hatte wahrhaben wollen, und es dauerte eine Weile, ehe er es als ihre Art der Trauer verstand.
    Dann, eines Tages hatte sie aus heiterem Himmel eine Entscheidung getroffen, die ihn völlig überraschte. Sie war zum Feld gekommen, offenbar war sie den ganzen Weg gerannt, keuchend stand sie vor ihm.
    »Katharina, Matthias und die Kinder sind tot. Sie kommen nicht wieder.«
    Er hatte nur vorsichtig genickt, weil er spürte, dass sie noch mehr zu sagen hatte.
    »Mein Name stand auch auf der Passagierliste der Yongala, man hält mich also auch für ein Opfer des Unglücks, richtig?« Sie hatte ihre Arme vor der Brust verschränkt.
    »Richtig«, bestätigte Tanner. Er

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