Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)
sich, über sie beide, doch sie war zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis gelangt.
Sie hatte Alan vermisst, als sie wieder in Berlin angekommen war, mehr als sie sich zunächst eingestehen wollte, aber ihr war nicht klar, ob es dabei wirklich um Alan ging. Vielleicht war sie eher in die Idee einer Liebe auf einem fernen Kontinent verschossen. Sobald der Alltag sie wieder in seinem erdrückenden Griff hatte, war es nämlich ungemein verlockend, sich hin und wieder vorzustellen, die tägliche Routine gegen die unbeschwerte Zeit auf Magnetic Island tauschen zu können. Doch nach mehreren Wochen, in denen Alan nichts von sich hören ließ, hatte sie sich schließlich vorgenommen, ihn zu vergessen und die Begegnung unter »Urlaubserlebnis« abzuheften. Alan hatte es schließlich genauso gehalten, oder warum sonst hatte er sich nicht mehr bei ihr gemeldet? Die Kälte des Berliner Frühlings half, dass ihr die Erinnerung an sonnendurchflutete Tage in Australien zunehmend unwirklich erschien.
Und nun dies. Da stand er, direkt vor ihr. Sie spürte einen Stich in ihrer Brust. Alan. Noch immer mit diesem unverschämten Lächeln. Nur dass er jetzt eine altmodische Skijacke trug, für die es trotz der kühlen Abende schon viel zu warm war. Sie musste ihn eine Weile entgeistert angestarrt haben, denn Alan begann, sich zu räuspern.
»Darf ich reinkommen?« Seine Stimme klang belegt.
»Äh, ja natürlich.« Sie trat einen Schritt zurück, um die Tür weiter zu öffnen, und bat ihn mit einer fahrigen Handbewegung herein. Wieder einmal fühlte sie sich von ihm überrumpelt. Hätte er sie nicht vorwarnen können? Man buchte ja nicht mal eben so von heute auf morgen einen Flug von Australien nach Deutschland. Dann hätte sie wenigstens ein bisschen aufräumen, eventuell sogar ein, zwei Tage freinehmen können. Plötzlich stieg Panik in ihr auf. Wie lange er wohl bleiben wollte? Andererseits freute sie sich über den unverhofften Besuch, obwohl sie nicht so recht wusste, wohin mit all den widerstreitenden Gefühlen. Wieso war er überhaupt nach Berlin gekommen? Vielleicht war es ja gar nicht wegen ihr? Vielleicht hatte er einfach nur geschäftlich in Berlin zu tun? Sie ging im Flur voran und deutete ins Wohnzimmer, wo Alan seinen Rucksack ablegte. Er hatte nicht eben viel Reisegepäck, stellte sie fest und zog daraus erste Schlüsse.
»Ist das von Mitch?« Er schaute auf das Bild seines Freundes, das die lange Wand des Raumes dominierte. Natascha nickte. Einen Moment lang standen sie sich wortlos gegenüber. Schließlich brach Alan das Schweigen.
»Du wunderst dich sicherlich, warum ich so unangemeldet bei dir reinplatze.« Das stimmte natürlich, doch Natascha zuckte mit den Schultern, als würde sie die Frage nicht verstehen.
»Ich habe dir etwas mitgebracht, über das du dich bestimmt freuen wirst, und außerdem haben wir beide noch etwas miteinander zu klären, findest du nicht?«
Natascha, die die ganze Zeit mit verschränkten Armen vor Alan gestanden hatte, hielt die Spannung zwischen ihnen nicht länger aus und platzte endlich mit dem heraus, was ihr seit Wochen auf der Seele brannte.
»Wieso hast du nie angerufen? Und jetzt tauchst du einfach so hier auf. Ich verstehe dich einfach nicht, Alan.« Alan, der im Begriff war, seinen Rucksack zu öffnen, hielt inne. Er kam aus der Hocke hoch und stand nun ganz dicht vor ihr. Sie erkannte jedes seiner Fältchen wieder, spürte die Wärme seines Atems. Ihr Herz schlug schneller, und als hätte sie Angst, Alan könnte ihr die Erregung ansehen, verschränkte sie wieder die Arme vor sich und verlagerte ihr Gewicht auf das linke Bein in der Hoffnung, lässig zu wirken.
»Aus dem gleichen Grund, aus dem du mich nie angerufen hast«, entgegnete er.
»Hm«, brummte sie. »Warum bist du dann hier?«
»Weil einer von uns beiden irgendwann mal nachgeben muss, wenn es mit zwei sturen Hunden wie uns etwas werden soll. Für diese Spielchen leben wir nämlich viel zu weit voneinander entfernt, falls du das noch nicht bemerkt haben solltest. Auf diese Distanz hin ist es viel zu leicht, sich für immer aus den Augen zu verlieren, und das wollte ich nicht riskieren.«
So ernst und erwachsen hatte sie ihn nie reden hören. Natascha war erstaunt über seine kleine Ansprache und biss sich heimlich auf die Unterlippe. Eigentlich hatte sie mit Alan bereits abgeschlossen. Was sollte sie denn jetzt bloß tun?
Sie schaute auf die Uhr. Höchste Zeit, sich auf den Weg ins Büro zu machen. Mit einer
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