Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)
sich jedenfalls als sehr hilfreich erwiesen. Vielleicht blieb das ja so? Natascha überlegte laut.
»Tauchen? Hm. Eigentlich wollte ich das schon immer mal lernen, aber ausgerechnet jetzt? Ich weiß nicht. Kannst du denn so einfach von deinem Job weg?«
»Die Saison ist im Januar erst mal vorbei, da kann ich mir eine spontane Auszeit leisten.« Er rempelte sie kumpelhaft an. »Komm schon, das ist doch die Gelegenheit.«
Natascha warf ihm einen skeptischen Blick zu. Aber es war schwer, sich seiner Begeisterung zu entziehen, und bislang hatte sie auch noch keine anderen Pläne.
»Okay, von mir aus, aber wenn mich ein Hai anknabbert, mach ich dich dafür verantwortlich.«
Mitch setzte ein fettes Grinsen auf.
»Falls du dich dann noch beschweren kannst, gerne.«
Natascha taten jetzt noch die Knochen weh. Die Nacht auf dem Feldbett war der reinste Horror gewesen. Der Regen hatte bis früh in die Morgenstunden geräuschvoll gegen die hohen Fenster getrommelt, so dass es ihr trotz der Müdigkeit schwergefallen war einzuschlafen. Hätte sie nur ein klein wenig nachgedacht, als Mitch zur Übernachtung in Moondo geraten hatte, wäre sie mit ein wenig Phantasie darauf gekommen, dass einsame Nächte in einem fremden Gebäude sehr schnell sehr unheimlich werden können. Dauerregen, raschelndes Laub und Zweige, die der Wind wütend gegen das Fensterglas schlug. All dies hatte sie wach gehalten, vom Jetlag gar nicht zu reden. Erst im Morgengrauen fiel Natascha endlich in einen unruhigen Schlaf, träumte von schwarzen Männern, die um ein Feuer tanzten und fremde Lieder sangen. Gegen halb acht, als ein Mitarbeiter das Kulturzentrum aufschloss – viel zu früh –, holte Mitch sie ab. Gut gelaunt überreichte er ihr einen Pappbecher mit grässlichem Kaffee, der ihre Lebensgeister jedoch auch nicht beleben konnte. Nach einem Zwischenstopp in Cairns, wo Natascha ihre Sachen im Tropical zusammenpackte, waren sie gegen Mittag bereits auf dem Bruce Highway in Richtung Townsville unterwegs.
Mitch pfiff vergnügt vor sich hin, während er den Wagen durch die sattgrüne Landschaft steuerte. Der Highway entpuppte sich als einfache Landstraße, und es hatte keine zehn Minuten gedauert, da hingen sie hinter einem dieser berüchtigten Roadtrains, die sich auf mehr Rädern fortzubewegen schienen, als ein Tausendfüßler Beine hat. Natascha fuhr sich über die müden Augenlider. Sie konnte den blöden Traum der vergangenen Nacht einfach nicht abschütteln. Er hatte sie verängstigt, ganz so als wäre sie wieder ein kleines Mädchen, dem es vorm schwarzen Mann graut. Besser, sie behielt diese kindische Reaktion für sich.
»Was schätzt du, wann wir da sind?«, fragte sie.
»Spielt das denn eine Rolle?«
Eigentlich nicht, sie hatte ja keinen Termin, aber verplempern wollte sie die wenige Zeit, die sie hier in Australien hatte, nun auch nicht gerade.
»Solange wir in Townsville noch die letzte Fähre nach Magnetic Island erwischen, ist alles easy«, ergänzte Mitch, der jetzt eine Kassette einlegte.
»Eine Kassette? Ein Tape? Dass so etwas noch existiert!« Natascha hob erstaunt die Augenbrauen. Mitch tat, als hätte er sie nicht gehört.
Natascha schob den Sitz nach hinten, lehnte sich zurück und schaute aus dem Fenster. Was sie sah, gefiel ihr. Die Straße schlängelte sich abwechselnd durch dichten, hohen Dschungel und flaches Land. Ein endloses Meer von Zuckerrohrfeldern wiegte sich im Wind, hier und da drängte sich eine Bananenplantage dazwischen. An den seltenen Stellen, an denen das Grün mal eine Pause einlegte, glänzte fette, rote Erde. Ein Schwarm Gelbhaubenkakadus flog von einem bestellten Feld auf, hochgescheucht von einem Traktor. In der Ferne sah sie Wallabys, eine kleine Känguruart, die der Lärm nicht im Geringsten zu stören schien. Der Teer der Straße vor ihnen dampfte, als würde er kochen, obwohl sich die Sonne nur für einzelne Momente zwischen den Wolken blicken ließ.
»A Penny for your thoughts, my Dear«, sagte Mitch fragend.
Sie wandte ihm das Gesicht zu.
Sie seufzte und setzte sich gerade hin. »Ich frage mich schon die ganze Zeit, was genau ich da eigentlich gestern rausgefunden habe. Ich kann mir einfach keinen Reim drauf machen.«
»Dann denk doch mal laut. Vielleicht fällt mir ja was dazu ein.«
Sie zögerte nur kurz. Weshalb sollte sie nicht mit Mitch gemeinsam überlegen?
»Also gut. Ich rekapituliere mal den Stand der Dinge, und bitte unterbrich mich nicht, sonst komme ich
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