Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)
durcheinander.«
Mitch drehte die Musik leiser. Black and White von INXS. Passte irgendwie. Immerhin eine Band aus Australien, wenn auch nicht gerade aktuell.
»Also gut. Meine Großmutter ist laut Adoptionsurkunde ein sogenanntes Halbblut. Das heißt ja wohl, sie hatte einen weißen und einen schwarzen Elternteil. Wahrscheinlich eine schwarze Mutter und einen weißen Vater. Ein weißer Siedler, der etwas mit einer Einheimischen anfing. Dabei spielt es in meinen Überlegungen noch keine Rolle, ob diese sexuelle Begegnung freiwillig oder gewaltsam stattgefunden hat.«
»Du kannst ruhig von einer Vergewaltigung ausgehen. So wie die Machtverhältnisse waren, ist das wahrscheinlich.« Er schaute sie an. »Sorry für die Unterbrechung.« Natascha nickte.
»Okay, nehmen wir an, dass eine Aborigine von einem Weißen vergewaltigt wurde, der sich danach aus dem Staub gemacht hat. Weiter im Text. Im Kulturzentrum der Orta finde ich nun ein Foto, darauf: Helen Tanner und eine Aborigine namens Amarina. Es heißt, sie seien Freundinnen gewesen. Als Nächstes ist da dieser Brief, der in Rosehill an der Wand hängt und der beweist, dass die Helen von dem Foto mit jener Helen identisch ist, die über Jahre hinweg an meine Oma und deren Adoptiveltern geschrieben hat – im Auftrag der Orta, wie sie selbst betont. Aus alldem schließe ich, dass möglicherweise diese Amarina meine Urgroßmutter gewesen sein könnte, und Helen Tanner wäre dann sozusagen ihre Mentorin, die für die Freundin den Kontakt zu ihrer Tochter aufrechterhalten hat.« Sie schaute Mitch erwartungsvoll an.
»Bist du fertig?«, fragte er nach einer Weile.
»Nicht ganz.« Natascha zupfte an ihren olivgrünen Shorts. »Jetzt kommen all die offenen Fragen. Beispielsweise die nach dem Vater. Mir fehlt jedenfalls der geringste Hinweis auf ihn. Und apropos Hinweis: Es gibt zwar ein Foto von Helen und Amarina, aber keines, auf dem ein Mischlingsmädchen zu sehen gewesen wäre. Es gibt bisher also nichts, was meine Großmutter tatsächlich mit diesen beiden Frauen in Verbindung brächte. Bislang sind das alles nur Vermutungen. Über diese Helen weiß ich bislang nur Folgendes: Sie hat mit ihrem Mann Rosehill übernommen, eine Zuckerrohrfarm, deren ursprüngliche Besitzer bei einem Schiffsunglück ums Leben gekommen sind. Die beiden sind erfolgreich. Dann, als 1958 das Wrack der Yongala gefunden wird, engagiert Helen sich stark für den Schutz des Fundortes, auch finanziell. Ich frage mich, warum? Weil sie die Farm einer Familie übernommen hat, die während des Unglücks ums Leben gekommen ist? Vielleicht. Von der Presse nach den Gründen für ihr Engagement befragt, redet sie jedenfalls nur obskures Zeug. 1962 stirbt sie.« Natascha schob den Sitz wieder nach vorne. »So weit meine Erkenntnisse. Irgendwelche Ideen, wie ich die klaffenden Lücken in meinen Recherchen ein bisschen verkleinern könnte?«
Mitch wiegte den Kopf hin und her. »Willst du meine ehrliche Meinung hören?«
Natascha nickte und sah ihn auffordernd an. Natürlich wollte sie das.
»Meiner Ansicht nach machst du schon ganz am Anfang einen entscheidenden Denkfehler.«
»Ach ja?«
Mitch strafte ihren spitzen Ton mit Missachtung.
»Du sagtest, deine Nanna müsse einen schwarzen und einen weißen Elternteil gehabt haben. Tatsächlich ist es aber so, dass schon ein kleiner Schuss schwarzen Blutes reicht, um ein Kind zum Halbblut zu machen. Oder anders gesagt: Es langt, wenn ein Elternteil ein paar Aborigine-Gene in sich trägt, um das Kind juristisch zum Halbblut werden zu lassen.«
»Du meinst, weder Vater noch Mutter müssten also …« Natascha zögerte eine Weile, bevor sie das Wort über die Lippen brachte, » reinrassig gewesen sein?« Als Deutsche hatte sie mit diesem Adjektiv so ihre Schwierigkeiten, doch sie wusste nicht, welches Wort sie alternativ hätte gebrauchen können.
Mitch sah nicht so aus, als hätte er von ihrem inneren Konflikt irgendetwas mitbekommen.
»Genau, ein Hauch von Black, und du bist die längste Zeit weiß gewesen. Und das ist bis heute so.« Er schaute zu ihr rüber. »Ist so wie mit dem Würzen. Ein kleiner Schuss Tabasco, und schon machst du aus einem langweiligen Hackfleischeintopf ein scharfes Chili. Got it? « Er warf den Kopf zurück und fing an, schallend zu lachen.
Natascha verzog keine Miene. Mitchs äußerst lässig dahingeworfener Vergleich irritierte sie. »Und was genau willst du mir damit sagen?«
»Nichts weiter. Nur, dass diese Amarina
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