Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)
Veranda erreichten. Mitch schüttelte sich wie ein nasser Hund, dicke Tropfen flogen aus seinem Haar. Natascha musste ihre Stimme heben, um gegen den prasselnden Regen auf dem Wellblechdach anzukommen. »Unglaublich, wie das auf einmal schüttet.«
»Heißt ja auch nicht umsonst Regenzeit.«
»Kommst du mit rein?«, fragte Natascha. Doch das Didgeridoo seines Handys brummte wieder, und Mitch signalisierte ihr, dass er draußen auf sie warten würde.
Natascha öffnete die Fliegentür, die quietschte, und trat ein. Ein Windspiel klirrte, als hinter ihr die Tür laut zuschlug. Sie zuckte zusammen, dann sah sie sich um. Vor ihr stand ein Drehständer mit verblichenen Postkarten, an den Wänden lehnten ein paar Regale mit Broschüren der Tourismusbehörde, wie sie Natascha schon aus Cairns kannte. Sie ging zum Schalter, niemand war da. Sie wartete einen Moment, dann schlug sie mit der flachen Hand auf die Klingel und wartete wieder. Ihre Hand spielte mit einem blauen Schmetterling aus Plastik, den sie aus dem Körbchen neben der Klingel genommen hatte. Ulysses Butterfly. Handcrafted by local artist, verriet der Aufkleber auf der Rückseite. Zwölf Dollar fünfzig. Stolzer Preis für diesen Kitsch, dachte sie und klingelte ein zweites Mal. Nichts geschah.
»Hallo? Ist da jemand?« Sie reckte den Kopf zur Tür, die hinter der Theke abging. Mit einem Seufzen warf sie den Schmetterling wieder in sein Körbchen zurück und wandte sich zum Gehen.
»Sorry fürs Warten, Darling. Bin schon da.« Mit einem leisen Ächzen stellte die füllige Frau einen dampfenden Teller ab. »Spätes Mittagessen. Wollte eigentlich bis halb fünf aushalten, aber … na ja.« Sie machte eine wegwerfende Bewegung, watschelte dann zur Kasse. »Nicht viel los heute. Wird auch nichts mehr bei dem Sauwetter.« Sie sah auf. »Eine Erwachsene?«
Natascha nickte. »Tut mir leid, dass ich Ihre Mittagspause unterbreche.«
Die Dame deutete auf ihre Hüften.
»Das macht gar nichts. Kann beim Essen gar nicht oft genug unterbrochen werden, Darl. « Der Körper der Dicken erbebte unter ihrem herzlichen Lachen. Der Geruch aufgewärmter Erbsensuppe breitete sich aus, und zusammen mit dem Regen verlieh er dem Raum eine behagliche Atmosphäre. Natascha verspürte instinktiv den Wunsch nach einer Tasse Tee und einer Wolldecke um ihre Schultern. Ihr Körper war wohl noch auf deutschen Winter gepolt, anders konnte sie sich diesen aberwitzigen Gedanken nicht erklären. Jedenfalls nicht bei dieser Affenhitze.
»Man hat mir gesagt, dass eine gewisse Helen Tanner hier gelebt haben soll.«
Die Dame nahm die Geldnote entgegen und zählte Natascha das Wechselgeld in die Hand.
»Das stimmt. Helen Tanner hat Rosehill der hiesigen Gemeinde vermacht. Ohne ihre alte Farm und das damit verbundene Erbsümmchen gäbe es unser kleines Tourismusbüro hier nicht. Sie sind ja am Dorf vorbeigekommen, da können Sie sich denken, dass so ein winziges Kaff sich keine großen Ausgaben leisten kann, um Touristen anzulocken. Na, und das Kulturzentrum der Orta gäbe es ohne Helen Tanner erst recht nicht. Tolles Ding übrigens, haben Sie es schon gesehen?«
»Ich komme gerade von dort. Wirklich beeindruckend. Diese Helen Tanner hat das alles erst möglich gemacht, sagen Sie?«
»Na ja, das war ja sozusagen die Auflage für das Erbe. Kein Kulturzentrum, keine Kohle.«
»Verstehe. Scheint ja eine interessante Frau gewesen zu sein. Kann ich hier mehr über sie erfahren?«
Die rundliche Dame schob eine Klappe im Tresen hoch und zwängte sich durch die Öffnung.
»Da sind Sie hier goldrichtig. Kommen Sie, der Raum nebenan, das war früher ihr Wohnzimmer. Der Gemeinderat hat dort eine kleine Dauerausstellung eingerichtet.« Sie ging zum hinteren Ende des Raumes und zeigte auf einen Durchgang. »Schauen Sie sich in Ruhe um, und wenn Sie Fragen haben, wissen Sie ja, wo Sie mich finden. Über meine Suppe gebeugt nämlich.« Sie warf den Kopf in den Nacken und lachte wieder schallend, dann ließ sie Natascha allein.
Natascha blickte sich um. Der schmucklose Raum war sicherlich nicht viel größer als ihr eigenes Wohnzimmer in Berlin. In einer Ecke stand ein zerschlissenes Sofa, das zu seinen besten Zeiten mal das Glanzstück dieser guten Stube gewesen sein mochte. Daneben stand ein wackliges Tischchen, darauf eine einfache Kerosinlampe. Mehr Inventar gab es nicht. Von der Decke schnarrte ein Ventilator. Natascha ging zu der Wand mit den Dokumenten, über denen ein paar Punktstrahler
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