Der geheimnisvolle Gentleman
verblasste. »Ihr wollt gehen?«
Dane erstarrte. »Selbstverständlich. Ich gehöre nicht zu der Sorte Männer, die sich mit Gewalt …«
»Nein!« Mit einem Satz war sie auf den Beinen. »Ich will das nicht noch einmal durchmachen müssen!«
Dane zuckte zusammen. »Natürlich nicht. Ich werde keinerlei Ansprüche stellen …«
Unglaublich! Seine sittsame, unterwürfige Braut, die angebliche personifizierte Tugendhaftigkeit und Selbstkontrolle, stampfte mit dem Fuß auf und starrte ihn erzürnt an.
»Habt Ihr auch nur eine Ahnung davon, wie schwer es für mich war, heute Nacht auf Euch zu warten? Oder die letzten
zwei Wochen, wo wir schon mal dabei sind? Ich fühle mich, als hätte ich seit Wochen nur am Fenster gesessen und Däumchen gedreht. Und jetzt, nachdem Ihr nur wenige Augenblicke bei mir wart, wollt Ihr mich schon wieder verlassen?« Sie verschränkte die Arme unter der Brust und starrte ihn an. »Also, das lasse ich nicht zu. Ihr bleibt!«
Dane konnte eine Zeitlang nichts anderes tun, als sie mit ausdruckslosem Blick anzustarren. Niemand sprach auf diese Weise mit ihm. Niemand.
Seit er mit sechzehn Jahren seine endgültige Größe erreicht hatte und wie ein Sonderling aus der Masse der Jungen herausragte, war er immer nur mit größtmöglichem Respekt behandelt worden. Niemals hatte er versucht, andere mit seiner Körpergröße einzuschüchtern, aber es war auch niemals nötig gewesen. Er musste nur den Mund aufmachen, und schon wurde jedes geäußerte Wort gehört und jeder Wunsch erfüllt.
Er hatte versucht, weniger bedrohlich zu wirken, indem er sich eher unbeschwert gab, was jedoch im krassen Gegensatz zu seinem von Natur aus ernsthaften Charakter stand. Die Einsamkeit, die durch die ihm entgegengebrachte Achtung entstanden war, verfestigte sich, als er zum Mann heranwuchs. In Danes Gegenwart zügelte selbst der Prinzregent seine Launenhaftigkeit auf ein Minimum, und von Lord Liverpool, dem Premierminister, war bekannt, dass er sich Danes Meinung fügte.
Dennoch stand hier eine Frau, eigentlich kaum mehr als ein Mädchen, die ihm gegenüber mit dem Fuß aufstampfte!
Sie musste entweder verrückt sein oder noch verwegener, als er ursprünglich gedacht hatte. Wie auch immer, jedenfalls schien sie keine Ahnung zu haben, welche Auswirkungen ihre verschränkten Arme auf ihre vollen Brüste in diesem leichten Nachthemd hatten. Dane hatte Schwierigkeiten, seinen Blick nicht tiefer wandern zu lassen.
»Ihr verlangt also, dass ich bleibe?«, fragte er tonlos.
Sie zog irritiert eine Augenbraue in die Höhe. »In der Tat, das tue ich.«
Neugierig, was passieren würde, stellte sich auch Dane in Positur, und zwar etwas breitbeiniger. Er war noch keinem Mann begegnet, der sich von dieser Pose nicht hatte einschüchtern lassen.
Es war unglaublich! Die frischgebackene Lady Greenleigh, die kaum trocken hinter den Ohren war, tat nichts anderes, als sich selbst vor ihm aufzubauen und die Hitze ihres Blickes um einige Grad zu erhöhen. Eine schwere blonde Locke rutschte über ihre Schulter und kringelte sich auf ihrer vollen Brust. Sie sah nicht länger aus wie die leidlich hübsche, ernsthafte, unterwürfige Tochter Cheltenhams. Sie sah aus wie eine zornige Fruchtbarkeitsgöttin.
Dane hätte fast geschmunzelt, doch er vermutete, dass dies ihre Verärgerung nur noch nähren würde. Da seine vernachlässigte Braut bei aller Fairness allen Grund dazu hatte, sich über ihn zu ärgern, breitete er schließlich entschuldigend die Arme aus und lächelte sie an. »Dann werde ich wohl bleiben.«
Sie nickte knapp. »Gut.«
Dane ertrug eine lange, peinliche Stille. Seine Braut bewegte sich unbehaglich hin und her. Schließlich gab Dane seiner Neugier nach: »Äh, würde es Euch etwas ausmachen, mir zu sagen, warum ich bleiben soll?«
Die Verärgerung wich aus ihrem Blick und machte einer plötzlichen Verlegenheit Platz. Dane beobachtete sie dabei interessiert. Ihr Gesicht verriet jede ihrer Gefühlsregungen. Was ging ihr jetzt wohl gerade durch den Kopf?
Sie räusperte sich verlegen. »Ich dachte, wir könnten uns darüber unterhalten … das heißt, ich würde sehr gerne wissen, was Ihr … was Ihr von mir erwartet.«
Dane sah sie voller Neugierde an. »Ich erwarte von Euch, dass Ihr meine Lady seid.«
Die Schüchternheit wich langsam aus ihrem Gesicht, und sie warf ihm einen ironischen, ungläubigen Blick zu. Macht Euch nicht zum Idioten, hieß das.
Er sollte sie von ihrer Furcht befreien, obgleich er es
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