Der geheimnisvolle Gentleman
wird?
Kann ich mir wahre Bewunderung verdienen?
Damit er mich nicht verlässt, wenn er die Wahrheit herausfindet?
Könnte ich ihn dann so weit bringen, dass er mich liebt?
Dane legte das Tagebuch zur Seite und musste erst einmal tief durchatmen. Und sie hatte die ganze Zeit Angst gehabt, seine Erwartungen nicht zu erfüllen? Er war kein Vorbild, kein Dichter, kein König.
Die Sache mit dem Hengst, nun ja …
Der Fetzen, den er als Beweis für ihren Verrat gehalten
hatte, war also nichts weiter als Teil eines, ja, eines Liebesgedichtes. Er nahm das Buch wieder zur Hand und sah nach dem Datum des Eintrags. Es war der Tag nach ihrer Hochzeit.
Er war in der Nacht ziemlich gut in Form gewesen, nicht, dass sie den Unterschied gemerkt hätte. Das waren nicht die Überlegungen einer Verführerin. Es waren die Gedanken einer jungen, unschuldigen Frau, die mehr Lebensklugheit besaß, als ihr Alter es vermuten ließ.
Er las weiter und musste zugeben, dass er es in vollen Zügen genoss, stellenweise sogar aus vollem Halse lachte.
Er sah sein Leben und seinen Haushalt auf eine Weise, wie er sie noch nie betrachtet hatte. Sie verfügte über einen trockenen Humor, und ihr entging nicht das kleinste Detail. Er nahm das Leben durch ihre Augen wahr, wobei er an ihr bezauberndes Lächeln denken musste und plötzlich von einem tiefgreifenden Gefühl des Verlustes überwältigt wurde.
Die letzten Zeilen hatte sie vor zwei Tagen mit Bleistift und ihrer verletzten Hand hingekritzelt.
In der ganzen Zeit, die er in meinem Zimmer war, wollte sich ein Teil von mir in seine Arme werfen und weinend meine Ängste und meine Sehnsucht loswerden. Ich liebe ihn so …
Dane bekam kaum Luft. So konnte es nicht weitergehen. Er musste es sich endlich eingestehen.
Er liebte sie. Er liebte seine süße, drollige, geistreiche Lady Greenleigh von ganzem Herzen und stärker mit jedem Atemzug, den er nahm.
Was war er doch für ein Narr.
Nicht weil er sie liebte, sondern weil er selbst ständig Zweifel hatte. Wie konnte er jemals denken, sie zu lieben sei eine Schwäche?
Lady Reardons Worte kamen ihm wieder in den Sinn. Warum habt Ihr überhaupt geheiratet, wenn Ihr niemals einer Frau trauen wollt?
Vertrauen. Sein Vertrauen zu anderen Menschen und in sich selbst, es war mit seinem Vater gestorben.
Bis ihn Lady Olivia aus dem Schlamm gezogen hatte.
In der Mühle hoffte Olivia im Dunkeln noch immer darauf, dass Walter endlich aufwachte. Sie hatte ihr Ohr an seinen kalten Mund gepresst, seinen Atem gespürt und sich darüber gefreut, dass er mitnichten tot war. Doch er war so still und kalt.
Sie legte sich hinter ihn, schlang ihre Arme um seine Hüften und wartete darauf, dass ihre Wärme ihm helfen würde.
Eigentlich hasste sie es zu warten. Damit hatte sie schon so viel Zeit vertrödelt. In Cheltenham hatte sie darauf gehofft, dass ihr Leben endlich anfing, dass ihre Träume wahr wurden. Träume, über die sie niemals gesprochen hätte und die doch für kurze Zeit wahr geworden waren.
Oder vielmehr hatte sie sich vorgemacht, dass dem so war. Sie hatte ihr Herz auf eine Servierplatte gelegt und der Welt angeboten, zusammen mit einer Gabel und einem Messer. Sie hatte niemals zuvor in irgendwen oder irgendetwas so sehr Vertrauen gehabt wie in Dane.
Wie konnte sie nur so naiv gewesen sein, zu glauben, ihr Ritter käme auf einem weißen Pferd angeritten und würde sie in ein neues Leben entführen?
Aber wer hätte schon ahnen können, dass sich alles so schnell zum Schlechten kehren würde? Im selben Moment, als ihre Leidenschaft füreinander entflammt war, hatte diese bereits jegliche Grundlage für ein zukünftiges Glück zerstört.
Sie hatte alles ihr Menschenmögliche unternommen, um diejenige zu sein, die er haben wollte, dass sie sich kaum noch selbst im Spiegel erkannt hatte.
Trotzdem hatte er sie verlassen.
Nein. Du hast ihn zuerst verlassen.
Olivia presste ihre Hand an die Kehle. O nein.
Sie hatte ihn zuerst verlassen. Als er sie so sträflich im Wald im Stich gelassen hatte, hatte sie kein Vertrauen mehr zu ihm,
hatte ihn aufgegeben. Sie hatte ihn einfach mit ihren Eltern, Miss Hackerman und dem Personal von Greenleigh in eine Schublade gesteckt, mit den Leuten, die niemals wirklich für sie da gewesen waren. Sie hatte ihn zurück ins Wasser geworfen wie einen erbärmlichen Fisch. Weil er nicht so perfekt war, wie sie zu glauben meinte, hatte sie ihn zurückgewiesen.
Der quälende Schmerz in ihrem Herzen galt jetzt nicht
Weitere Kostenlose Bücher