Der geheimnisvolle Gentleman
nicht leer wurde. Seine bäuerliche Verkleidung aus kratziger Wolle irritierte ihn, und die Polster aus Stoff, die er sich in die Wangen geschoben hatte, ließen seinen Mund austrocknen, aber sein Blick schweifte nie ab.
Irgendetwas stimmte nicht. Greenleigh hätte längst vollkommen von ihr betört sein sollen. Nach dem, was er wusste, war das Mädchen perfekt für ihn. Seine Quelle war exzellent, auch wenn sie nicht mehr lebte. Er wusste genau, was Greenleigh wollte. Und es war ein glücklicher Zufall, dass er es dank Lord Walters liebevoller Beschreibung seiner eigenen Schwester nun auch bekommen hatte.
Was konnte fehlgelaufen sein? Er wusste, dass das Mädchen seinen Part erfüllte. Der Vorfall in der Kutsche hatte die Runde gemacht, als die ersten von Greenleighs Leuten an den Tresen getreten waren.
Sie war unerfahren und ein wenig tollpatschig, sicher, er hatte auch nichts anderes von ihr erwartet und gedacht, dass es Seine Lordschaft amüsieren würde.
Der Kammerdiener trat zur Tür herein, und seine Augen wanderten durch den Schankraum. Der Mann wartete, bis er Blickkontakt zu dem jungen Mann hatte, dann hob er grüßend seinen Bierkrug. Der Kammerdiener zuckte zusammen und nickte zögernd.
Wunderbar. Einer seiner nützlicheren Bauern war zurück im Spiel. Einen eigenen Mann unter den Bediensteten zu haben sollte diese doch eher ermüdenden Herzensangelegenheiten etwas in Schwung bringen. Der Kammerdiener kannte den Plan gut, denn er hatte vor ein paar Wochen an seiner Ausarbeitung mitgewirkt. Natürlich, damals war er für den armen verblichenen Lord Walter gedacht gewesen, aber jetzt
konnte Walters Schwester ihm helfen, den König zu gewinnen, nicht nur einen Turm.
Wie erfreulich war es doch, den Mustern dabei zuzusehen, wie sie ineinanderflossen und sich vermischten. Spionage war sowohl eine Kunst als auch eine Wissenschaft.
Und er war ein Meister in beidem.
»Mylord, darf ich?«
Dane blieb im Flur des Gasthofes stehen. Da er in Gedanken noch ganz bei dem Gespräch mit Marcus war, der das Gefühl geäußert hatte, dass sie verfolgt würden, dauerte es eine Weile, bis Dane wusste, um wen es sich bei dem Mann mit der traurigen Miene handelte. »Ja?«
Der Mann verneigte sich nochmals. »Sumner, Mylord. Ich wollte mich bei Euch dafür bedanken, dass ich meiner Lady dienen darf. Meine vorherige Verbindung zu ihrer Familie …«
Dane hatte Sumner fast vergessen. Er hatte den Liar’s Club damit beauftragt, den Hintergrund des Mannes zu durchleuchten, und ihn dann aus seinen Gedanken gestrichen. »Ja, nun, es war Lady Greenleighs Entscheidung.« Er wandte sich zur Tür zu Olivias privatem Speisezimmer.
»Ich muss Euch zudem meine besten Glückwünsche aussprechen, Mylord. Ihr und Lady Greenleigh seid ein überaus schönes Paar. Ich freue mich von Herzen, sie so glücklich zu sehen. Ihr Bruder hat nur voller Liebe von ihr gesprochen.« Der Kammerdiener lächelte traurig. Zum ersten Mal bemerkte Dane, dass man den Mann als gut aussehend bezeichnen konnte. Er war groß, aber kein Riese, und schlank wie ein Windhund. Blaue Augen, blonde Haare …
»Lady Cheltenham hatte immer sehr viel zu tun, und ich glaube, Lady Olivia wurde ein klein wenig vernachlässigt.«
Dane rührte sich nicht. Das wusste er aus eigener Erfahrung. Er mochte es ganz sicher nicht von einem seiner Diener hören.
»Ah, da bist du ja, Dane.« Olivia erschien vor ihm im Flur. Sie war ein wenig erhitzt, und eine lange Locke hatte sich aus ihren Haarklammern gelöst. Ihre Unterlippe war etwas geschwollen, wahrscheinlich noch von ihrem Sturz in der Kutsche.
Sie sah aus wie eine Frau, die es gerade im Stehen getan hatte. Dane fragte sich, ob sie es mögen würde, fest an die Wand gepresst, mit ihren Schenkeln um ihn geschlungen.
Der Tumult in seinem Innern nahm zu und blendete alles andere aus.
Sie gehörte ihm.
Olivia begrüßte Sumner, fragte ihn, wie ihm die Reise gefalle. Sumner starrte sie verzaubert an und sagte, er wünschte, sie wäre nie vorüber.
»Wir müssen los«, stieß Dane hervor. Die beiden drehten sich zu ihm um, offensichtlich überrascht von dem Drängen in seiner Stimme.
Er nahm Olivia am Arm und ging mit ihr rasch zur ersten Kutsche und half ihr hinein, wobei er kaum ein Wort sprach. Sie schaute ihm erstaunt hinterher, als er auf dem Absatz kehrtmachte und davonging.
Marcus machte gerade sein zweites Pferd fertig. Das erste hatte er am Ende des Wagens festgemacht.
»Du kannst jetzt mitfahren«, sagte
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