Der geheimnisvolle Highlander
Die ganze Situation setzte ihm unheimlich zu. Ihm war klar, dass sie ihn nur warnen wollte.
Das wusste er zu schätzen, doch er fühlte sich völlig schutzlos, wenn sie in der Nähe war. »Du hast recht. Ich schulde dir meinen Dank. Wenn das, was Jamie sagt, wirklich wahr ist, dann wären wir gefährlich in der Unterzahl gewesen und hätten sehr wahrscheinlich in der Falle gesessen.« Sie blinzelte die Tränen fort, die zu fallen drohten. Behutsam legte er ihr die Finger unter das zitternde Kinn. »Aber das heißt nicht, dass ich gutheiße, dass du ein so großes Risiko auf dich nimmst, indem du hierherkommst. Es heißt auch
nicht, dass ich Jamie vertraue. Der Tag wird bald kommen, an dem er sich für eine Seite entscheiden muss.«
Mit großen, glasigen Augen sah sie zu ihm hoch. Sie sah müde und blass aus, doch immer noch schmerzhaft schön. Und so verdammt verführerisch. Die Erinnerung an ihren Kuss durchströmte ihn, doch er verdrängte diesen Gedanken.
»Du reist bei Sonnenuntergang mit den Männern deines Vaters ab. Und du kommst nicht zurück. Egal, was passiert, Meg. Hast du mich verstanden?«
Sie nickte. »Und Jamie?«
»Er soll mit dir gehen, unter Beobachtung, bis er wieder bei deinem Vater ist. Ich schreibe eine Botschaft an deinen Vater und bitte ihn, Jamie für ein paar Tage auf Dunakin festzuhalten. Bis dahin sollte alles vorbei sein.«
»Und was dann?«, fragte sie mit immer noch zu Boden gesenktem Blick.
Beinahe hätte er über ihre Fähigkeit, genau ins Mark zu treffen, gelächelt. Eine Myriade von Fragen, kurz und knapp in einer kleinen, unverfänglichen Frage zusammengefasst.
»Ich weiß es nicht.«
So vieles zwischen ihnen blieb ungesagt. Doch er war froh, dass sie die Wahrheit kannte. Es machte zwar alles noch komplizierter, doch das war es ohnehin schon. Er konnte nicht verhindern, dass ihr Herz litt, ob er sie nun einem anderen Mann in die Arme getrieben hätte oder ob er niemals von Lewis zurückkommen würde. So würde sie zumindest nicht an sich selbst zweifeln. Unwissenderweise hatte sein vergifteter Pfeil sie zu tief getroffen. Er wünschte, er könnte alles, was er zu Lord Huntly gesagt hatte, zurücknehmen. Er wollte damals ihr Pflichtgefühl treffen, nicht eine alte Wunde.
Sie straffte die Schultern, hob das Kinn und sah ihm in die
Augen. Der sanfte Mondschein warf tiefe Schatten auf ihre Wangen. Er wusste, was sie gleich sagen würde, und wollte sie davon abhalten. Schon öffnete er den Mund, doch es war bereits zu spät.
»Ich liebe dich, weißt du?«, sagte sie sanft.
Da waren sie. Worte, die besser ungesagt geblieben wären.
Sein Herz zog sich zusammen. Er konnte kaum atmen. Tausend Gedanken schossen ihm durch den Kopf, Gedanken an eine Zukunft, an eine Familie, Träume von Glück. Zwischen ihnen standen keine Lügen mehr, die die Wahrheit verschleierten. Nachdem alle Geheimnisse aus dem Weg geräumt waren, lag die Wahrheit mit all ihren Konsequenzen offen vor ihnen. Sie liebte ihn. Doch er war nicht bereit, diese Worte zu hören. Nicht, solange er noch eine Aufgabe zu erledigen hatte. Nicht, bis er endlich die Geister der Vergangenheit zum Schweigen gebracht hatte.
Von seinen Gefühlen überwältigt brachte er nur ein einziges Wort als Antwort hervor. »Nicht.« Er legte ihr die Finger auf die zitternden Lippen.
Als er sah, wie ihr Gesicht in sich zusammenfiel, musste er es ihr einfach begreiflich machen. »Noch nicht.« Er nahm ihre Hände und zog sie hoch, so dass sie vor ihm stand. So zauberhaft, so unendlich kostbar. Sanft streichelte er ihr über die Wange. »Du verdienst mehr, als ich dir im Augenblick geben kann.« Seine Stimme war voller Bedauern.
»Wie kannst du das sagen? Ich weiß, dass ich dir etwas bedeute. Du kannst mich nicht vom Gegenteil überzeugen.«
Er lächelte schief und schüttelte über ihre unerschütterliche Entschlossenheit den Kopf. »Das werde ich auch nicht versuchen. Aber im Augenblick ist das nicht genug, Meg. Dass du nach Lewis gekommen bist, hat mir nur klargemacht,
wie wichtig es ist, dass ich zu Ende bringe, was ich hier angefangen habe.«
»Selbst wenn du dabei stirbst? Wenn nicht durch die Hände der Abenteurer, dann durch Dougal?«
»Ja. Wenn es so sein soll.«
»Aber …«
»Ich verspreche dir, dass ich nicht gerne gehe. Aber …«, er machte eine Pause, »das ist alles, was ich dir im Moment versprechen kann.«
»Aber warum?«, rief sie wütend, eher über die Ungerechtigkeit der Welt als über ihn, vermutete er.
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