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Der gehetzte Amerikaner

Der gehetzte Amerikaner

Titel: Der gehetzte Amerikaner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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erschien sie in
irgendeiner Tanzpose mit zwei oder drei jungen Tänzern; aber auf
einem großen Porträt hatte der Fotograf sie wirklich
ausgezeichnet getroffen und ihr ganzes Wesen eingefangen. Eine Weile
blieb Brady vor diesem Bild stehen und betrachtete es. Er dachte
intensiv an sie und an ihre Freundlichkeit; dann seufzte er und wandte
sich ab.
      Der »Tempel der Ruhe« lag in der
nächsten Seitenstraße. Eine Menge Wagen standen dort
geparkt, und als Brady den Bürgersteig entlangging, fegte gerade
ein großer schwarzer Mercedes um die Kurve und bespritzte ihn
über und über mit Wasser, das sich im Rinnstein angesammelt
hatte. Brady drehte sich böse um. »Können Sie denn
nicht aufpassen, wohin Sie fahren, zum Teufel?«
      In der Dunkelheit konnte er schwach einen steifen
Homburger, glänzende Brillengläser und eine Reihe
weißer Zähne erkennen.
      »Verzeihung, es tut mir sehr leid«,
entschuldigte sich der Fahrer, und trotz der wenigen Worte fiel Brady
ein leichtes Lispeln auf; dann fuhr der Mercedes weiter in die
Straße hinein.
      Brady trat auf das Tor des »Tempels« zu
und schaute nachdenklich zu dem imposanten Gebäude empor. Es sah
aus, als ob es zu seiner Zeit eine Freikirchler-Kapelle gewesen sei:
ein düsteres, rauchgeschwärztes viktorianisches Bauwerk mit
falschen dorischen Säulen und einer Säulenhalle vor dem
Eingang. Wahrscheinlich war die ursprüngliche Sekte
dahingeschwunden, als die Bevölkerung sich vom Stadtzentrum mehr
auf die Außenbezirke verteilte, und Das hatte das Haus sicher
billig erworben.
      Brady stieg die breiten Stufen empor, die zur
Säulenhalle führten, öffnete eine Tür und wurde
sofort von überwältigendem Weihrauch empfangen.
      Der Fußboden der Halle war mit einem kostbaren
indischen Teppich bedeckt; elektrische Kerzen spendeten
mäßiges Licht. Von irgendwoher aus den schummrigen
Hinterräumen des Gebäudes drangen undeutliche Stimmen. Brady
folgte diesem Klang und kam schließlich zu einer Doppeltür.
    Er blieb zunächst eine Weile
lauschend stehen und bemerkte dann seitlich eine weitere Tür. Kurz
entschlossen öffnete er diese und stieg eine schmale Steintreppe
empor, die zu einer Galerie führte, von welcher man in eine Halle
hinabsehen konnte.
      Der Altar und das Gestühl des ehemaligen
Kirchenraumes waren entfernt worden; statt dessen hatte man eine
goldene Buddhastatue aufgestellt. Stühle oder Sessel waren nicht
mehr vorhanden; die Gemeindemitglieder saßen mit gekreuzten
Beinen auf dem Fußboden. Sie waren meist von mittlerem Alter und
sahen beeindruckt aus; der größte Teil von ihnen waren
Frauen.
      Dieser Raum war ebenfalls von elektrischen Kerzen
erleuchtet. Dicke Weihrauchschwaden hingen in der Luft; vor der
Buddhastatue brannte in einem Kessel ein kleines Feuer, und ein Mann,
der mit der Stirn den Erdboden berührte, kniete davor.
      Brady folgerte, daß dies wohl Mr. Das sein
müsse. Er trug eine gelbe Robe, welche die linke Schulter nackt
ließ; sein Kopf war rasiert, und er sah zweifellos sehr
eindrucksvoll aus.
      Nach einer Weile erhob sich der Mann und drehte sich
um. Er hatte ein feines Gesicht und ruhige, kluge Augen. Freundlich
lächelnd sagte er mit seiner wohlklingenden Stimme: »Und
nun, meine Brüder, gebe ich euch einen Text, über den ihr bis
zu unserem nächsten Treffen meditieren möget: Gutes zu tun
ist nicht genug. Man muß auch gut sein!«
      Seine Worte klangen sehr überzeugend, aber der
gute Eindruck, den Brady von ihm hatte, wurde im nächsten Atemzug
zerstört.
      »Wenn ihr hinausgeht, wird wieder die
übliche Geldsammlung stattfinden. Gebe jeder, was er kann, damit
wir alle Nutzen davon haben.«
      Er hob seine Arme zum Segen, drehte sich um und verschwand hinter einem Schirm.
    Die Zuhörerschaft erhob sich ebenfalls, was bei einigen nicht
    ohne Anstrengung vonstatten ging. Brady blieb auf der Galerie, bis die letzten Anhänger hinausgegangen waren.
      Endlich stieg er die Treppe wieder hinab, und als er
gerade auf den Gang hinaustrat, begegnete er einer Frau, die auf der
gegenüberliegenden Seite in ein kleines Büro gehen wollte.
Sie trug eine ähnliche gelbe Robe wie Das und hielt in der Hand
einen großen Klingelbeutel, der prall mit Geld gefüllt war.
      »Darf ich Ihnen tragen helfen?« fragte
Brady ironisch. Die Frau mochte etwa vierzig Jahre alt sein, hatte ein
hageres, ausgetrocknetes Gesicht und wirkte altjüngferlich. Um
ihren Mundwinkel zeigte sich ein leichtes, nervöses

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