Der gehetzte Amerikaner
und es schien, als ob
sie wieder völlig Herr ihrer Nerven sei.
»Ich habe nicht viel Zeit, um mich mit dir zu
unterhalten, deshalb will ich mich kurz fassen«, erklärte
Brady. »Jango hat gestern versucht, mich um die Ecke zu bringen.
Mit ein bißchen Überredung brachte ich ihn dazu, daß
er mir flüsterte, du hättest ihn dazu angestiftet. Und jetzt
möchte ich gern wissen, weshalb du das getan hast.«
»Scher dich zum Kuckuck«, zischte sie. »Verschwinde hier, oder ich ruf die Polizei an!«
Sie wollte aufstehen, aber Brady drückte sie aufs Bett hinunter und legte eine Hand an ihre Kehle.
»Hör mir einmal zu, du billiges
Flittchen«, knurrte er drohend, »wenn du mir jetzt oder
irgendwann später die Polizei auf den Hals hetzt, dann wird dieser
Jango das büßen müssen! Ich habe nämlich Freunde
da drinnen – sehr gute Freunde. Ich brauch' nur ein Wort zu
sagen, und sie machen Hackfleisch aus ihm!«
Sie starrte zu ihm empor, aber jetzt stand Furcht in
ihren Augen, echte Furcht, und er wußte, daß er sie an der
richtigen Stelle gepackt hatte. Dieser Jango bedeutete ihr etwas.
Er nahm die Hand von ihrer Kehle wieder fort; sie richtete sich auf und rieb sich mit der Hand den Hals.
»Was willst du denn wissen?« fragte sie böse.
»So gefällst du mir schon besser«,
meinte Brady. »Ich sehe, du wirst vernünftig. Wer hat dir
aufgetragen, diesen Jango auf mich zu hetzen?«
Sie nahm sich eine Zigarette aus einem Kästchen neben dem Telefon und entzündete sie an einem Feuerzeug.
»Das war ein gewisser Das«,
antwortete sie schließlich. »Er ist ein Inder und leitet so
einen komischen religiösen Verein – nennt sich
›Tempel der Ruhe‹ – etwa eine Meile von hier, in
der Nähe vom ›Hippodrom‹-Theater.«
Brady runzelte die Stirn. »Das verstehe ich
nicht. Ich habe noch niemals vorher etwas von ihm gehört.«
Sie zuckte die Achseln. »Ich sage dir die
Wahrheit. Er hat hier seine Finger, in jeder krummen Sache, von
Rauschgift angefangen bis zu Callgirls… Am Mittwoch kam er
hierher und hat mich aufgesucht. Er erzählte etwas von einem
Kunden, der den Wunsch hätte, daß dir ein tödlicher
Unfall zustößt… Dafür versprach er mir
fünfhundert Pfund, wenn Jango das einrichten könnte.«
»Und außerdem eine Extraprämie von
zweihundertfünfzig, wenn es bis heute klappen würde!«
ergänzte Brady.
Sie nickte. »Stimmt genau. Aber wenn du mehr
wissen willst, mußt du schon mit Das selbst sprechen!«
»Das habe ich auch vor«, antwortete Brady.
Er ging zur Tür, schloß sie auf, drehte sich aber noch
einmal um, bevor er hinausging.
»Denk daran, was ich dir gesagt habe, Wilma.
Wenn ich durch dich hochgehe, muß Jango teuer dafür
bezahlen…!«
Sie spuckte ein schmutziges, nicht näher zu
bezeichnendes Schimpfwort hinter ihm her, doch er schloß nur
ruhig die Tür und ging den Gang entlang zurück.
Das Mädchen in der Garderobe
langweilte sich noch immer. Ohne eine Spur von Anteilnahme reichte sie
ihm Mantel und Hut heraus; er zog sich an, stieg die Treppe hinunter
und trat hinaus in den Regen.
5
Während er den Club hinter sich ließ, trug ihm der
Wind, der über das Wasser her wehte, den dunstigen, feuchten
Geruch faulender Blätter entgegen. Dieser Hauch von Moder
erfüllte ihn mit einer unbestimmten und unerklärbaren
Erregung.
Der Regen fiel in gleichmäßigen silbernen
Fäden, die im Licht der Straßenlaternen glitzerten, als er
durch die leeren Straßen zur City schritt. Gelegentlich fuhr ein
Wagen vorbei, und ab und zu begegnete ihm ein vereinzelter Passant, der
mit gesenktem Kopf durch den strömenden Regen eilte.
In einem Torweg an der Ecke der Hauptstraße traf
Brady einen alten Mann in geflicktem Mantel und Tuchmütze: einen
Zeitungsverkäufer, der unentwegt versuchte, sein letztes halbes
Dutzend Sonntagszeitungen an den Mann zu bringen. Brady kaufte ihm eine
ab, fragte nach dem Weg, und der Alte trat hinaus in den Regen, um ihm
die Richtung zu zeigen.
Als erstes stieß Brady auf das
»Hippodrom«-Theater. Es war ein schmales Gebäude mit
einer Marmorfront und einer baumbestandenen Allee, die an der Seite
entlang zum Bühneneingang führte. In den gläsernen
Schaukästen hingen noch die Bilder von der Musik-Show, die diese
Woche gastiert hatte. Brady blieb stehen und betrachtete die Bilder,
suchte auf ihnen nach Anne Dunning.
Tatsächlich fand er auch
verschiedene Aufnahmen von ihr. Auf den meisten
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