Der Geist des großen Büffel
schluchzende
Laute von sich. Sogar Tante Turkie äußerte: „Früher
mußte ich im Theater bei ergreifenden Szenen immer weinen.“ Cookie schneuzte sich.
Aber
Onkel Berni brachte uns auf den Boden der Wirklichkeit zurück. „Faßt euch, wir
sind nämlich umzingelt“, flüsterte er, gar nicht beunruhigt.
So
war es.
Als
ich meine Augen im Tal hatte, war der Tödliche Colt mit einigen Indianern
aufgebrochen, um uns zu suchen. Unter diesen befand sich auch die Piepsende
Maus, genauso scheußlich angemalt wie früher. Wir ließen uns in aller
Gemütsruhe fesseln und ins Tal hinabführen. Dort warf man uns zunächst in das
Zelt, in dem Zirkus-Joe und Little Byrd gefangengehalten wurden. Draußen hörte ich das Trappeln unserer beiden Pferde und das Rollen der
Wagenräder.
Die Leichenfeier
Im
Zelt begrüßten wir uns, soweit es die beengte Lage gestattete, kurz, aber
herzlich. Da wir durch Tante Turkie angekündigt
worden waren, war die Überraschung nicht groß. Lediglich, daß wir uns nicht als
freie Menschen begegneten, hatte man nicht erwartet.
Little
Byrd fieberte noch, doch meinte sie, es ginge ihr schon ein wenig besser:
„Jetzt glaube ich, daß wir alles heil überstehen“, sagte sie, „und diese
Hoffnung wird mich gesund machen. Mein Fuß schmerzt kaum noch.“
In
dem Wigwam war es ziemlich dunkel. Wir konnten uns kaum sehen. Zirkus-Joe war
weniger zuversichtlich als Little Byrd: „Ich kenne die Rothäute“, seufzte er.
„Gleich veranstalten sie eine große Totenfeier. Gesang und Tanz bringen sie
außer sich. Dann dürsten sie nach Blut, dann schleppen sie uns raus an die
Marterpfähle, und ich zweifle sehr, Mylord , ob ich
dort so schön singen werde, wie Ihr roter Freund.“ Wirklich begann die
Totenfeier. Kunstvoll und dumpf wurden die Trommeln geschlagen. Die Indianer
redeten nicht mehr, wir hörten nur ihr Stöhnen und Räuspern. Doch plötzlich gab
es Geräusche wie Donnerschläge, wie das Schreien von Vögeln, und das Trommeln
wurde immer lauter. Dann klingelten Glöckchen...
„Der
Medizinmann ist gekommen“, meinte Zirkus-Joe sachkundig. „Er beschwört die
Geister der Toten...“
„Wenn
es Tote sind“, dachte ich laut.
Es paßte mir nicht, daß ich gefesselt hier lag und
nichts sehen konnte. Ich robbte zum Zeltrand . Ich
fand einen Schlitz, preßte mein Auge dagegen. Da erlebte ich das aufwühlende Schauspiel.
Die lang ausgestreckten, leblosen Gestalten meines roten Bruders und seiner
zarten Squaw ruhten nebeneinander auf einem Holzstoß. Beide waren reich
geschmückt. Der Feuerschein warf flackerndes Licht über sie. Alles wirkte wie
ein Traum auf mich, unwirklich. Um sie herum tanzte der Medizinmann, er trug
das Oberteil eines Büffelschädels mit Hörnern und verfilzten Haaren auf dem
Kopf und schrie Beschwörungen in die finstere Nacht hinaus. Nach und nach
stimmten die im Kreis herumsitzenden Indianer in sein Kreischen ein, sie
schlossen die Augen und wiegten die Oberkörper vor und zurück.
Nur
Häuptling Kleiner Stier saß unbeweglich mit geschlossenen Augen. Den Tödlichen
Colt sah ich bei dieser Zeremonie nicht.
Nach
einem gellenden Ruf riß der Medizinmann brennende Äste aus dem Feuerstoß und
legte sie unter den Scheiterhaufen. Langsam leckten die Flammen an dem
trockenen Holz — mir klopfte das Herz bis zum Hals. Doch plötzlich trieb ein
Windstoß den Rauch schwer und tief über die beiden Leblosen. Sie wurden
vollständig verhüllt vom gelblichen Qualm. Er ballte sich zu einer Wolke
zusammen, die alsbald die Gestalt eines mächtigen Büffels annahm, dann aber
aufstieg und in der Nacht verschwand. Und da waren die Holzscheite nackt und
leer. Zart qualmendes Holz, aufplatzende Rinde — sonst nichts. Der Medizinmann
sah’s, oder vielmehr, er sah eben nichts. Seine Stimme überschlug sich, er warf
sich zu Boden.
Häuptling
Kleiner Stier dagegen sprang auf, breitete seine Arme aus und rief: „Ein
Zauber, ein Zauber! Der Große Manitou hat sie zu sich
genommen!“
„ Uffuffuff “, stöhnten die Indianer ringsum.
Nun,
ich wußte, welcher Zauber hier gewirkt hatte, und war daher sowohl beruhigt als
auch fröhlich. Was außerhalb unseres Zeltes geschah, interessierte mich jetzt
nicht mehr. Ich kroch an meinen Platz zurück und fragte Zirkus-Joe: „Wie seid
ihr in die Gefangenschaft der Indianer geraten?“
Er
antwortete: „Wir wollten ja eigentlich länger in Western-Town bleiben, eben bis
Little Byrds Fuß ausgeheilt war. Aber leider packte uns die Unruhe.
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