Der Geist des großen Büffel
so leicht erwartet. Und er wollte sich diesen Genuß gern
verlängern, sosehr es ging. Als jetzt der Große Kojote näher schlich und
jaulte: „ Vergiß nicht, daß du mir das Kaninchen
versprochen hast“, blies er ihn an:
„Du
kriegst es. Aber zuvor veranstalten wir ein Festmahl. Nun — da du das Kaninchen
bekommst und ich außerdem nicht gerne Kaninchenbraten esse, wollen wir den
Truthahn braten!“
„Truthenne...“,
würgte Tante Turkie aus ihrem verschnürten Hals
heraus.
Aber
Häuptling Kleiner Stier lehnte ab: „Wer eine Truthenne ißt ,
wird feige!“ behauptete er. Und der Medizinmann kreischte aus der Zottelmaske:
„Der Truthahn ist ein heiliges Tier!“
„Dann
werde ich das heilige Tier allein rupfen und am Holzfeuer rösten“, erklärte der
Tödliche Colt.
„Nein,
nein!“ rief der Medizinmann wieder. „Nie darf das geschehen! Alle tapferen
Krieger würden augenblicklich in hilflose, kümmerliche Knaben und alte
weinerliche Squaws verwandelt werden!“
Diese
Aussicht mißfiel Häuptling Kleiner Stier. Ich glaube, ihm mißfiel auch der
Tödliche Colt mehr und mehr, und er wünschte, zu einem Ende zu kommen. Er
wandte sich an ihn und sagte: „Die Gefangenen am Marterpfahl gehören mir, sie
waren Freunde des Mörders meiner geliebten Tochter Zitternde Feder. Du aber
nimm die Kiste mit dem Gold und verlaß uns!“
„Ich
will das Kaninchen“, heulte der Große Kojote.
„Meinetwegen“,
brummte der Häuptling. „Es ist gerecht, wenn jeder seinen Anteil bekommt. Der
stinkende Kojote bekommt das Kaninchen, der Tödliche Colt die Kiste und wir die
Gefangenen!“
Der
Tödliche Colt hätte uns wohl gern am Marterpfahl sterben sehen. Aber er
fürchtete, die Kiste mit dem vermeintlichen Gold zu verlieren, wenn er länger
zögerte. Er ließ sich daher von zwei Indianern helfen, zusammen schleppten sie
eine Holzkiste aus dem Planwagen, aber sie erwischten die falsche, die mir als
Ersatz geborgt worden war.
Er
warf einen kurzen Blick darauf und sagte: „Diese Kiste will ich nicht! Diesmal
lasse ich mich nicht hereinlegen. Die andere ist die richtige...“ Und sie wurde
herausgezerrt. Ich befürchtete, daß er mein kostbares Fotogerät zertrampeln
würde, wenn er es statt der erhofften Nuggets fand. „Onkel Berni?“ rief ich,
Hilfe erhoffend. Doch der knurrte nur erwartungsvoll.
Der
Tödliche Colt ließ seinen Schatz ans Feuer tragen. Dann warf er noch einen
Blick auf Tante Turkie und war sichtlich erleichtert,
sie noch am Pfahl hängen zu sehen. Also konnte sie unmöglich wieder in der
Kiste stecken. Mit einem Schuß aus seinem treffsicheren Colt sprengte er das
Schloß...
Ein überraschender Inhalt
Der
Gauner bückte sich und klappte den Deckel auf. Das Scharnier quietschte.
„Endlich...“, rief er.
„Endlich...“,
tönte es auch aus der Kiste. Oder tönte es vom Pfahl neben mir, aus Onkel
Bernis Maul? Ich kann es nicht genau sagen. Es paßte jedoch vortrefflich, denn heraus schob sich ein mächtiger Schädel mit einem
fürchterlichen Rachen: der Anführer der Krokodile. Er riß ihn auf, diesen
Rachen, vielleicht nur, um einmal herzhaft zu gähnen, jedenfalls zeigte er
dabei seine scharfen Zähne — und in denen befand sich auch nicht die kleinste
Goldplombe, die den Tödlichen Colt vielleicht entschädigt hätte.
Der
Tödliche Colt war wie versteinert. Er stand festgewurzelt da und vermochte sich
nicht zu rühren, während sich der schwere Körper des Krokodils aus der Kiste
schob und langsam auf ihn zubewegte.
Desto
lebendiger wurde Häuptling Kleiner Stier. Er schüttelte vor Wut seinen Kopf, so
daß die lang herabhängenden Adlerfedern flogen. „Du Bleichgesicht der Lüge“,
zeterte er. „Jedes deiner Worte stinkt nach Unwahrheit — was soll dieses
Krokodil hier? Aus unseren Augen, ehe ich dir den Skalp vom Kopf ziehe!“
Da
kam Bewegung in das Standbild. Der Tödliche Colt nahm einfach Reißaus, er
verlor völlig den Verstand. Erst rannte er rückwärts, halb stolpernd, immer den
angstvollen Blick auf dem Krokodil, dann drehte er sich um, nestelte mit
zitternden Händen den Mustang los, warf sich auf seinen Rücken — und
galoppierte davon.
Alleingelassen, umgeben von feindlichen Indianern, Aug in Auge mit
einem Alligator, der sich zielstrebig auf ihn zubewegte, behagte es auch dem
Großen Kojoten nicht bei uns. Er klemmte den Schwanz ein, kläffte Onkel Rab : „Aufgeschoben ist nicht aufgehoben!“ zu und verschwand
ebenfalls.
„Die
wären wir also vorläufig
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