Der Geist des Highlanders
dass sie sich so um sie kümmerte, durfte Megan watscheln, so viel sie wollte.
Sie setzte sich neben ihre Schwester auf die Rückbank des Fahrzeugs und blickte aus dem Fenster, während die englische Landschaft draußen vorbeiflog wie auf einem impressionistischen Gemälde. Die ganze Szenerie war irgendwie
surreal. An die Stelle der Hektik und der Wolkenkratzer in New York waren eine ausgedehnte Hügellandschaft und ein malerisches kleines Dorf getreten.
»Gleich sind wir da«, beteuerte Megan ihr. »Im Gasthaus wartet bestimmt ein warmes Abendessen auf uns. Wenn du dich so lange wach halten kannst.«
»Ich sollte mich wirklich zusammenreißen«, erwiderte Victoria gähnend. »Ich muss wenigstens überprüfen, ob alles bereit ist.«
»Mach dir darüber keine Sorgen«, sagte Megan. »Mrs Pruitt ist der reinste Feldwebel. Sie hat bestimmt alles im Griff.«
Victoria warf ihrer Schwester einen Blick zu, und wenn sie nicht so unter dem Schlafmangel und dem Jetlag gelitten hätte, hätte sie bestimmt heftiger den Kopf geschüttelt. Sie konnte nur staunen.
Mit ihren neunundzwanzig Jahren war Megan drei Jahre jünger als Victoria. Sie hatte jahrelang alle möglichen Jobs gehabt, war aufs College gegangen und hatte es wieder verlassen, hatte sich in den Familienunternehmungen einschließlich Victorias Theatertruppe und der Bekleidungsfirma ihrer Mutter versucht, aber nichts hatte gepasst. Schließlich hatte Thomas sie nach England geschickt, als Beschäftigungstherapie sozusagen, damit sie sich um das Schloss kümmerte, das er sich gekauft hatte.
Aber statt ein weiteres Mal zu versagen, hatte Megan einen kleinen Landgasthof gekauft und einen britischen Adeligen geheiratet, der so schrecklich reich war, dass selbst Thomas daneben blass aussah.
Für Victoria wäre eine solche Abweichung vom Drehbuch des Lebens nicht infrage gekommen, aber sie sagte natürlich nichts. Jeder musste selbst wissen, was ihn glücklich machte.
Sie fuhren eine schmale Straße entlang und hielten vor einem Gasthaus im Tudor-Stil.
»Gefällt er dir?«, fragte Megan.
»Ja, er ist wundervoll«, erwiderte Victoria aufrichtig. - »Du warst schon einmal hier, kannst du dich noch erinnern?«, sagte Megan. »Auf meiner Hochzeit.«
Victoria gähnte. »Megan, ich bin am Morgen deiner Hochzeit in New York abgeflogen, bin direkt zur Kirche gefahren und habe mein Brautjungfernkleid angezogen, habe zugesehen, wie du geheiratet hast, kann mich vage an ein sehr dunkles Wirtshaus im Dorf erinnern, und dann habe ich mich in die nächste Maschine gesetzt, um die letzte Aufführung von >Romeo und Julia< nicht zu verpassen.«
Megan lachte. »Du bist also gar nicht bis hierher gekommen? Na, ist ja auch egal.«
Der Chauffeur öffnete Megan die Tür. Megan beugte sich zu ihrer Schwester und flüsterte: »Hier spukt es«, bevor sie so anmutig aus dem Wagen stieg, als habe sie nicht die ersten fünf Monate ihrer Schwangerschaft damit verbracht, entweder für zwei zu essen oder sich zu übergeben.
Victoria saß mit offenem Mund da. Schließlich besann sie sich, machte den Mund wieder zu und stieg ebenfalls aus. Sie musterte die Fassade des Gasthauses.
Hier spukte es?
Vielleicht hatte der Smog in London Megan das Hirn vernebelt. Aber hatte Dad sie nicht auch davor gewarnt, dass hier eigenartige Dinge vor sich gingen? Und sie hatte geglaubt, er machte Witze ...
Sie zog den Riemen ihrer Tasche höher über die Schulter und folgte Megan ins Haus. Auf der Schwelle blieb sie abrupt stehen.
Sie stand in einer Eingangshalle, die einer Filmkulisse entsprungen zu sein schien. Möbel und Gemälde waren antik. Der Teppich passte nicht so ganz dazu, aber sie wollte nicht kleinlich sein. Die Wirtin, zweifellos die furchtlose Mrs Pruitt, hielt ihren Staubwedel über der Schulter wie ein Bajonett und befahl gerade einem jungen Mädchen, es solle Lady Blythwood so schnell wie möglich einen Stuhl bringen.
Victoria zuckte zusammen, als ihr klar wurde, dass Megan ja Lady Blythwood war. Wenn all die Leute, die Megan in den vergangenen Jahren gefeuert hatten, das wüssten ...
»Das ist meine Schwester Victoria«, stellte Megan sie vor. Sie zog Victoria zum Empfangstisch. »Vikki, das ist Mrs Pruitt. Sie kümmert sich um deine Schauspieler, solange sie hier wohnen.«
Mrs Pruitt legte ihre freie Hand auf ihren wogenden Busen. »Ich werde tun, was ich kann, Miss, schließlich kann das Stück nur gut werden, wenn sich die Schauspieler auch richtig entspannen können. Aber darüber
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