Der Geist des Highlanders
es anscheinend vergessen hatte.
Ein weiterer Grund, sich über die gesamte Familie zu ärgern.
Ruhelos ging Connor auf und ab, studierte jeden Winkel des Saals und überlegte, wo wohl die beste Stelle sein mochte. Er stellte sich sogar in verschiedene Ecken, um versuchsweise daraus hervorzuspringen.
Schließlich entschied er sich für das Podest hinten im Saal, wo der ursprüngliche Herr über Thorpewold sicher bei unzähligen Festbanketten gesessen hatte. Connor stellte sich auf das Podest, mit dem Rücken zur Tür - beziehungsweise dem, was von der einstigen Tür übrig war. Zunächst würde er unsichtbar bleiben, dann würde er sich umdrehen und mit seinem wildesten Kampfschrei losbrechen. Er wippte auf den Fußballen, um sich auf einen der glücklichsten Momente seines Nachlebens vorzubereiten.
Würde der Mann einen Entsetzensschrei ausstoßen und in Ohnmacht fallen? Würde er mit dem Kopf an einen Felsen stoßen und langsam verbluten? Würde er schreiend wie ein Weib flüchten? Es gab so viele ungeheuer verlockende Möglichkeiten.
»Ich glaube, ich höre Schritte«, sagte Roderick, der auf einem Stein saß, der die Stelle markierte, an der früher einmal die Tafel gestanden hatte.
Connor ballte die Fäuste.
»Ich sehe einen Schatten«, flüsterte Roderick.
Connor reckte die Arme über den Kopf und bereitete sich darauf vor, sein mächtiges Schwert zu ziehen. Er war ein beeindruckender Anblick, wie er da in voller Größe stand und den Griff seines beinahe mannsgroßen Schwertes mit beiden Händen hielt.
Er hatte schon oft erlebt, dass Männer ihre Schottenröcke beschmutzt hatten und in Ohnmacht gefallen waren, bevor er ihnen den Kopf abschlagen konnte. Aber wenn er ehrlich war, dann hatte ihm diese Reaktion nie sonderlich gut gefallen. Es war so unbefriedigend, jemanden zu töten, der nicht vorher wenigstens ein bisschen schrie.
Kurz schloss er die Augen, dann griff er nach seinem Schwert, das er auf den Rücken geschnallt hatte.
Rodericks Aufkeuchen jedoch ließ ihn innehalten.
»Verdammt«, grollte Connor, »ich wollte gerade mein Schwert ziehen.«
Roderick schien es die Sprache verschlagen zu haben. Er starrte mit offenem Mund auf etwas hinter Connor.
Vielleicht war ja der McKinnon beeindruckend gebaut und stark, eine größere Herausforderung, als Connor zu hoffen gewagt hatte. Vielleicht würde es ja einen richtigen Kampf geben. In Connor stiegen leise Bedenken auf. Beherrschte er noch alle Techniken oder hatte er schon einiges verlernt?
Aber möglicherweise blickte Roderick diesen McKinnon auch nur deshalb so gebannt an, weil er so schmächtig und weibisch war. Die erstere Variante wäre ihm sehr viel lieber, dachte Connor. Dieser McKinnon sollte stark sein und bereit, bis aufs Blut zu kämpfen. Das würde ihm wesentlich besser gefallen.
Connor zog schwungvoll sein Schwert und wirbelte herum, um seinen Kampfschrei auszustoßen und sichtbar zu werden.
Aber da stand gar kein Mann. Es war ein Mädchen.
Und noch dazu ein wunderschönes.
Connor war so überrascht, dass er kaum wusste, was er denken sollte. Sein Schwert jedoch schien nicht von dieser Unentschlossenheit betroffen zu sein. Es senkte sich, und Connor trat unwillkürlich einen Schritt vor, um das Gleichgewicht zu halten. Dabei vergaß er jedoch, dass er sich auf einem Podest befand. Er stolperte, und es blieb ihm nichts anderes übrig, als seinem Schwert zu folgen.
Es fiel mit einem dumpfen Geräusch zu Boden. Connor ging in die Knie.
Er wollte sich gerade bitter über diese unwürdige Situation beklagen, als sein Blick erneut auf die Frau fiel.
Mit einem Schlag wurde ihm klar, dass er dieses engelsgleiche Geschöpf niemals würde erschrecken können, und wenn sein Leben davon abhinge.
Oh, verdammt!
Nicht, dass er es nicht wollte. Er hätte seinen rechten Arm gegeben, wenn er sich vorher den Kopf darunterschieben hätte können, um ihr damit ein paar Schreie zu entlocken. Er hätte sein Haupt auch auf die Spitze seines Schwertes stecken und hin und her schwenken können, was meistens eine Ohnmacht zur Folge hatte. Er wäre ja auch schon mit einem erschreckten Keuchen zufrieden gewesen.
Aber es gelang ihm einfach nicht.
Er blieb auf den Knien liegen und starrte die Erscheinung an, die in seinen Saal gekommen war, als ob ihr das Schloss gehörte.
Bei allen Heiligen, sie war eine Schönheit.
Und er war besonders wählerisch bei Frauen.
Staunend betrachtete er sie. Er hatte einen McKinnon erwartet, und stattdessen war ein
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