Der Geist des Highlanders
seinen Sohn verblüfft an. War Thomas jetzt völlig durchgedreht? Hatte ihn die Ehe mit Iolanthe so angestrengt?
»Warum denn nicht?«, fragte er.
»Vertrau mir einfach«, erwiderte Thomas.
»Was soll denn da sein? Giftpflanzen? Schlangen? Angriffslustige Spinnen?« »Nichts dergleichen. Bleib einfach stehen. Ich möchte mich kurz umsehen.«
Thomas ging um die Blumen herum und beugte sich zu ihnen herunter, als sei an Gräsern, die im Kreis wuchsen, tatsächlich irgendetwas Interessantes.
»Er ist komplett wahnsinnig«, murmelte Connor leise vor sich hin.
Als Thomas seine Inspektion beendet hatte, trat er zu seinem Vater und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Kommt, gehen wir zum Gasthaus zurück. Ich möchte einen Freund anrufen, der uns hier vielleicht weiterhelfen kann. Das heißt, es ist eigentlich ein Verwandter von Iolanthe. Er soll sich die Stelle einmal ansehen, bevor wir hier alle herumgetrampelt sind.«
Connor schürzte die Lippen.
Noch ein MacLeod.
Er wurde sie anscheinend auch in seinem Nachleben nicht los.
Als die gesamte Gruppe zum Gasthaus umkehrte, blieb Victoria ein wenig zurück, sodass sie weit hinter ihrer Familie neben ihm hergehen konnte.
Sie blickte ihn an.
»Leistest du mir heute Nacht wieder Gesellschaft im Wohnzimmer?«, fragte sie ihn.
»Nein.«
»Oh«, sagte sie enttäuscht.
»Entschuldigung. Ich habe anscheinend missverstanden, was ...«
»Ich werde nicht bei dir sitzen bleiben, weil du deinen Schlaf brauchst, und in einem Sessel im Wohnzimmer kannst du nicht schlafen. Leg dich in ein Bett, Victoria. Du tust deiner Granny keinen Gefallen, indem du dich so aufreibst, auch wenn ich dich verstehe.«
»Ich glaube nicht, dass ich jetzt schlafen kann«, sagte sie leise.
»Weib«, sagte er streng, »muss ich dich erst mit einem echten Spuk bedrohen, damit du gehorchst?«
Sie lächelte mühsam. »Nein, nein, das reicht vollkommen aus.«
Der Rest des Nachmittags verging langsam, ebenso wie das Abendessen und die Verteilung der Zimmer. Es war schon spät, als Victoria sich in der Bibliothek des Gasthauses zum Schlafen niederlegte. Connor wartete eine ihm angemessen erscheinende Zeitspanne ab, bevor er seinen Kopf durch die Tür steckte, um nachzuschauen, ob sie eingeschlafen war.
Sie lag auf dem Rücken, die Hände über der Brust gefaltet und starrte an die Decke. Die kleine Lampe neben ihrem Bett hatte sie nicht ausgeschaltet; sie verbreitete einen schwachen Lichtschein.
So lag sie den größten Teil der Nacht.
Ein oder zwei Stunden vor der Dämmerung gab Connor schließlich auf und setzte sich in einen der Ledersessel vor dem Kamin.
»Blutvergießen oder Spuken?«, fragte er.
Sie drehte den Kopf und blickte ihn an. Ihre Augen glänzten, als hätte sie geweint.
»Ich bin enttäuscht von dir, Victoria McKinnon. Du hast morgen Truppen zu befehligen, und kein Kommandant ist gut, wenn er nicht ausgeruht ist.«
Sie lächelte. »Du hast recht.«
»Ich habe immer recht.«
»Erzähl mir etwas vom Spuken«, entschied sie gähnend. »Irgendetwas Langweiliges über Entsetzensschreie. Geschichten über dein Leben höre ich lieber, wenn ich wach bin.«
Bereits bei der zweiten Story war sie eingeschlafen. Mit einem Schlenkern des Handgelenks entzündete er ein Feuer im Kamin.
Bei allen Heiligen, wenn er noch bei Verstand wäre, würde er auf sein Schloss fliehen, so schnell er konnte, solange sein Herz noch keinen Schaden genommen hatte.
Was, wenn er einfach der Richtige für sie war?
Entschlossen verdrängte er den Gedanken.
Stattdessen setzte er sich im Sessel zurecht und behielt sie für den Rest der Nacht im Auge.
Sollte sie ihn doch seinetwegen als nützlichen Bewacher, als Ablenkung oder sogar als unerwünschten Beschützer betrachten.
Solange sie überhaupt an ihn dachte, war ihm alles recht.
12
Victoria fand, dass sich im Wohnzimmer absolut zu viele Highland-Lords aufhielten.
Während sie sich umblickte, überlegte sie, dass sie noch vor zwei Monaten ganz normal in Manhattan gelebt und über ihr Stück nachgedacht hatte, und jetzt saß sie im gemütlichen Wohnzimmer eines elisabethanischen Gasthauses, umgeben von Männern, die in einem Mittelalter-Film gar nicht weiter aufgefallen wären.
Ihr gegenüber saß James MacLeod, Iolanthes Großvater. Vielleicht war Großvater ja auch nur eine respektvolle Anrede. Iolanthe nannte ihn genauso oft Mylord, es war also vielleicht nur eine schottische Sitte, die Victoria nicht kannte, zumal er eigentlich auch zu jung
Weitere Kostenlose Bücher