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Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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Araberhengst lospreschte.
     Bei alldem machte Nasreddin jedoch ein Gesicht, als sei er seinerzeit in Aksehir und dann bei Timurlenk täglich mehrmals geflogen.
     Anora ahnte, was in Nasreddin vorging. Sie versuchte ihn abzulenken, machte ihn auf dieses oder jenes aufmerksam, darauf bedacht, daß es nicht schulmeisterlich klang. Sie behandelte ihn wie einen guten Bekannten und erklärte ihm die Dinge, wie man sie einem Touristen, einem Landfremden, auch erklären würde.
    Bis sich die Maschine in der Luft befand, blieb Nasreddin wortkarg, er hatte sich viel zu sehr auf sich selbst zu konzentrieren. Aber dann, als sie nur flogen und nichts weiter passierte, kam er zunehmend auf den Geschmack, begann es ihm Freude zu bereiten. Anora registrierte das mit wachsender Zufriedenheit.
     Die Maschine flog einen Bogen, und Nasreddin erkannte unten den Amudarja mit den weitausholenden, verschwemmten Mäandern, dann noch einige Quadratkilometer Baumwollfelder, danach den Kanal und wenig später bis zum Horizont die Kysylkum.
     In Nasreddin stiegen Erinnerungen auf. Endlose Tage zogen sie damals in der Karawane durch den Sand, von Samarkand nach Chiwa. Und hier hatte es begonnen. In einer Sänfte zwischen zwei Kamelen reiste sie mit, wurde sie, Nilufar, dem Chan von Chiwa zugeführt. O unglückseliger Einfall, dieser mein Wunsch, Chiwa, die alte, berühmte Stadt, kennenzulernen. Hätte es mir der Gebieter nicht erlaubt… Allah hat es so gefügt. Hat er? »Warst du eigentlich schon in – Buchara?« fragte Anora behutsam. »Nein, niemals«, und er schüttelte nachhaltig den Kopf.
     Sie lachte auf. Als er sie erstaunt ansah, erklärte sie: »Entschuldige, aber es gibt einen sehr berühmten Film, ein Buch…«, fügte sie schnell hinzu, weil sie nicht wußte, ob er mit dem Phänomen Film bereits konfrontiert worden war, »mit dem Titel ›Nasreddin in Buchara‹. Dort setzt Nasreddin dem Emir von Buchara kräftig zu.«
    Nasreddin lächelte. »So ein Nasreddin wie eurer in der Zeitung«, sagte er. Dann sah er sie an und fügte hinzu: »Den Emiren zuzusetzen war keine leichte Sache gewesen. Sie waren allesamt schnell bei der Hand mit dem Schwert…« Und zur Demonstration zog er mit dem Finger am Hals entlang. »Und es gab viele, viele, die sich bei ihnen anbiederten, man war also vor Verrat niemals sicher. Unter solchen Umständen kühlt Übermut schnell ab.«
     Anora fragte wie obenhin: »Da treffen sie wohl nicht zu, die Begebenheiten, die man über dich erzählt, schreibt?«
     »Treffen zu, treffen nicht zu. Ich mußte sehr lachen, als ich das las. Zum Beispiel hat sich die Geschichte mit dem Hammel zugetragen. Studenten aus der Hauptstadt wollten den Provinz-Chodscha reinlegen, und sie tischten mir die Mär vom Weltuntergang auf, seinetwegen sollte ich den Hammel schlachten. Nun, das war mir der Spaß wert. Ich nahm einen, der ohnehin kümmerte, schickte die Leute baden und verbrannte währenddessen seelenruhig all ihre Kleider, aus dem gleichen Grund: Brennmaterial ist knapp, und wenn die Welt untergeht, braucht man weder Hammel noch Kleider. Aber das lustigste war, ich weiß nicht, ob man es dir erzählt hat, daß man just die Geschichte mit mir – vielleicht um mich zu testen – hier im Kolchos versucht hat. Diesmal sollten Heuschrecken einfallen und ein Viehsterben verursachen. Da habe ich das Schaf des Anstifters geschlachtet, ohne daß er es wußte. Schließlich wäre das seine durch die Heuschrecken auch an Futtermangel zugrunde gegangen.« Anora, die die Begebenheit nicht kannte, lachte hellauf. Eine Weile sahen sie nach unten. Bei immer noch klarer Sicht ließen sich deutlich Strauchgruppen und ganz vereinzelte Pfade im graugelblichen Sand ausmachen.
     »Dreißig Tage sind wir von Samarkand nach Chiwa gezogen, ich wollte diese Stadt sehen. Unter Bewachung reiste auch Nilufar mit. Ich, einer, den man nicht so recht ernst nahm, durfte mit ihr plaudern, um ihr die Zeit zu vertreiben, die Reise so angenehm wie möglich zu machen, und so begann es…«
    »Nilufar heißt sie also«, sagte Anora in Gedanken.
     Nasreddin lächelte. »Du hattest recht mit deiner Vermutung, eine verbotene Liebe. Nur glaube ich nicht, daß mein Kopf eine Grabbeilage war. Er wollte sie und mich im Tode noch verhöhnen. Er war ein Zyniker, ein schlechter Mensch. Sie so zu bestatten, so vornehm, wie du sagst, war er wohl ihrer Herkunft wegen gezwungen. Sie stammte aus der Familie des Gebieters, aus dem mütterlichen Zweig. Aber uns den Kopf

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