Der Geist des Nasredin Effendi
Sie ein wenig – behutsam mit ihm umgehen…«
»Das versteht sich doch!«
»Er möchte nach Buchara, ins Museum«, sie sagte es mit besonderem Nachdruck. »Es ließe sich einrichten, daß Sie dabei sind.«
»Das wäre fabelhaft, ich komme am Vierzehnten aus Moskau zurück. Benachrichtigen Sie mich, ich richte mich ganz nach Ihnen und – ihm. Übrigens, würden Sie mir Vollmacht erteilen, wenn sich in dieser Ihrer Angelegenheit eine günstige Gelegenheit in irgendeiner Weise ergäbe – natürlich unter Beachtung all dessen, was besprochen ist? Ich meine, Sie könnten sich auf mich verlassen.«
Sie zog die Stirn in Furchen und blickte sehr unentschlossen. Dann zuckte sie mit den Schultern und sagte zögernd: »Ich weiß nicht… Wenn sich eine Gelegenheit ergibt, aber um seinetwillen äußerst vorsichtig…«
Er lächelte. »Wie ist es, trinken Sie heute abend mit mir eine Flasche Wein?«
»Oh!« entfuhr es ihr überrascht. Und nach einem kleinen Überlegen: »Warum nicht, Grund genug gibt es.«
»Ich freu mich! Um acht, wir treffen uns hier, ja?« Anora nickte nachdrücklich.
Nach Anoras Geschichte dauerte es eine Zeit, bevor Nasreddin zu einem Standpunkt fand. Natürlich hatte er gleich durchschaut, wie es um diese Erzählerei der jungen Frau stand, daß sie die Form gewählt hatte, um ihn weitestgehend zu schonen.
Daß er gleichsam in einem fremden Körper steckte, hatte er schnell verwunden. Sie hatte nicht den schlechtesten ausgesucht. Ein kräftiger Kerl, dieser Omar. Ich habe es ja gewußt, sagte er sich nachträglich, solche Kräfte hatte ich nie – und der goldene Zahn erst! Und daß ich auf diese Weise meine verbogene Nase verloren habe, ist das schlechteste nicht.
Am schwersten fiel ihm, sich damit abzufinden, daß er fünfhundert Jahre tot gewesen sein sollte, ohne von dem, was die Chodschas, die Muezzins lehrten, was der gesamte Koran sagt, auch nur das geringste gemerkt zu haben. Es wurde finster vor oder nach dem Schwertstreich, wer kann das schon so genau sagen. Und aus! Fünfhundert Jahre einfach aus. Und obwohl sich Nasreddin eine Menge Hilfsvorstellungen machte, sich einzureden suchte, seine Seele irre umher, Allah stelle ihn auf die Probe, eine Strafe für die Sünden, war er sich doch insgeheim im klaren: Hätte dieser Satansbraten von Weib, diese Anora, meinen Kopf nicht ausgegraben und wäre jener nicht noch einigermaßen erhalten geblieben, er würde dort weitere fünfhundert Jahre und noch einmal fünfhundert Jahre – bis in alle Ewigkeit liegen, wenn er nicht doch eines Tages zu Staub zerfiele. Und deshalb nahm Nasreddin sich vor, die Jahre, die er nun noch zu leben hatte, sinnvoll zu verbringen, daß es gute Jahre für ihn und die Seinen würden. Auf später schien ihm kein Verlaß mehr zu sein.
Einigemal spielte Nasreddin mit dem Gedanken, diese Anora zu bitten, Nilufar ebenfalls wieder zum Leben zu erwecken. Aber gleich das erstemal, als ihm die Idee kam, zweifelte er, ob er es wirklich ernsthaft wollte. Ja, sie hatten sich geliebt, feurig und vorbehaltlos, hatten schließlich auch dafür gebüßt. Aber es war dies doch eine ganz andere Zuneigung als jene, die ihn zu Gusal erfaßt hatte. Nasreddin konnte sich zum Beispiel Nilufar überhaupt nicht in der Baumwolle vorstellen. Sie war nur dazu bestimmt, dem Herrscher Dienerin zu sein, seine Kinder zu gebären, vielleicht zu tanzen und zu spielen. Sie würde in diese Zeit wohl nie recht hineinfinden – oder täusche ich mich da? Ich versuche es ja auch und glaube auf dem Weg dorthin zu sein. Nun ja, aber ich habe gelernt, Unbekanntes begreifen zu wollen, es anderen bekannt zu machen. Sie war jung, wäre wieder jung, eine Menge Möglichkeiten stünden ihr offen, es müßte nicht gerade die Baumwolle sein… Und dann – in wessen Körper sollte sie schlüpfen? Anora oder ihre Freunde würden einen finden! Aber ob er mir auch so gefiele wie vordem der ihre? Würde ich nicht stets sie sehen wollen und erblickte die – andere?
Aber was Nasreddin am meisten abhielt, seinem Gedanken Ausdruck zu geben, war seine Beziehung zu Gusal. Er war sich sicher, schlüge er ihr vor, in einen anderen Ort zu gehen, sie würde seine Frau werden. Und er hatte durchaus die Absicht, ihr diesen Vorschlag zu machen. Und ein solches Leben mit ihr schien ihm überschaubarer und ihm gemäßer als vielleicht eins mit Nilufar oder ihrem – Gehirn.
Schließlich war Nasreddin entschlossen, diesen Gedanken niemals laut werden zu lassen
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