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Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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geschehen. »Maschallah«, murmelte er. Trotz dieses wehen Verlustes, trotz der Wirrnis in seinem Kopf und all des Unverständlichen und Wunderbaren, der bekannten, unbekannten Welt um ihn her fühlte der Mann seinen alten Elan, seine Lebensbejahung, die ihm in vielen, manchmal ausweglosen Situationen schon den rechten Pfad gewiesen hatte, wiederkehren. Und das in dem Maße, in dem er sich dem nördlichen Tor näherte und ihm immer weniger Menschen begegneten.
     Auf dem groben Pflaster ging es bergab dem Tor zu. Selbst der Esel schien die Weite draußen zu wittern, denn er ließ sich nicht ziehen und mahnen, sondern trabte flott einher, brachte seinen Herrn außer Atem. Überhaupt, dieser Esel! Ich hatte ihn doch an den Zaun des Parks am Sommerpalast gebunden?
     Links gewahrte der Mann den blaugefliesten Fuß eines abgebrochenen Minaretts gewaltigen Umfangs, und die Zellen der anschließenden Medrese waren auf einmal mit hölzernen Türen und mit von ganz durchsichtigen Häuten bespannten Fenstern, hinter denen sich schillernde Waren befanden, zugebaut. Davor Menschen, die diese Auslagen betrachteten oder aus und ein gingen… Und hier haben sie mich vor zwei Wochen hineingezerrt, die Hände mit einem Strick gebunden und diesen an einen Esel…
     Und wie sieht die Festung aus! O Allah! Der Mann hatte den Blick nach rechts gewandt. Er gewahrte die Korrosionsrillen in den Lehmmauern, die ausgewaschenen Zinnen. Da hast du stets angenommen, Nasreddin, daß dich so leicht nichts aus der Fassung bringen könnte. Und oft hat dein Leben an einem Faden gehangen. So lange war es nicht her, daß mich der erzürnte Bayazid auf den Baum jagte, den seine Soldaten umwerfen sollten, damit er mich Bocksprünge machen sähe… Da noch hast du die Kaltblütigkeit besessen, die Hosen fallen zu lassen und die Soldaten von oben zu bekleckern. O Sultan, wie hast du gelacht, lebensrettend…
    Aber das erhobene Schwert ist doch etwas anderes. Vorher sehen müssen, wie der Kopf der Geliebten in den Sand rollt… Das, Nasreddin, hat dir die Sinne verwirrt, die Angst, das Erkennen, daß kein Ausweg ist…
     Einen Augenblick blieb er stehen und drückte verzweifelt das Gesicht in die Mähne des Esels. »O Allah, Allah, erleuchte einen Unwürdigen, gib ihm zum Leben auch die Sinne wieder…«
    Aber es ist Chiwa, die göttliche!
     Sein tränennasser Blick glitt zurück zum Mausoleum, die Festungsmauer entlang zum nahen Tor. Wären die Rillen im Lehm nicht gewesen, er hätte jeden einen Lügner genannt, der behauptete, dieses sei nicht Chiwa. Aber warum nur gehen diese gottlosen Frauen ohne Schleier? Und er sah sich um nach einer solchen Frau.
     Das Tor, das unmittelbar vor ihm wie eh und je seine Bögen gegen den blauen Himmel wölbte, ergoß soeben eine Gruppe jener eigenartig bekleideter hellhäutiger Leute auf die Straße wie jene freundlichen, die ihm im Handumdrehen die Waren abgekauft hatten. Die Waren. Wie, zum Teufel, bin ich zu Waren gekommen?
     Die ersten dieser Menschen blieben stehen, einer rief etwas. Nasreddin grüßte. »Salam aleikum!« Einige nahmen kleine Kästen, die sie an Riemen über der Schulter trugen, richteten sie auf den Mann mit Esel, es klickte mehrmals, und sie winkten dankend. Da sie freundlich waren, lächelte und winkte er zurück. Und natürlich befanden sich in der Gruppe auch viele Frauen, einige mit dunklen Scheiben vor den Augen, die sie eulig aussehen ließen. Aber sie waren unverschleiert, nicht nur unverschleiert, sondern, o Allah, beinahe durchsichtig angezogen…
    Und wenn bei diesem Anblick die Verwirrung in Nasreddins Kopf auch nicht eben geringer wurde, er begann Gefallen an dieser unerklärlichen Neuheit zu finden. Der Gedanke, daß der Prophet gegen solchen Frevel sein könnte, störte ihn im Augenblick nicht im geringsten. Schließlich waren es Ungläubige. Der Emir wird sich etwas dabei gedacht haben, wenn er seine Stadt für solche Leute öffnete. Allah sei Dank!
     Aber das von gestern auf heute? Als sie mich vorhin, heute früh, zum Richtplatz führten, standen sie vermummt an den Türen. Und diese Leute waren nicht in der Stadt… Ja, es war Vormittag, als sie mich aus dem Verlies zerrten, jetzt steht die Sonne hoch, es ist Mittag, also stimmt die Zeitfolge…, das einzige, was bisher wirklich stimmt.
     Der Menschenstrom durch das Tor ließ nach, als verhinderte die stechende Sonne den weiteren Zugang zur Stadt.
     Nasreddin Chodscha zog mit seinem Esel weiter durch das Nordtor der

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