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Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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hatten. Er raffte das Tuch mit den Scheinen und Münzen zusammen und versuchte, was natürlich bei der Aufmerksamkeit, die man ihm im Augenblick schenkte, nicht möglich war, sich unauffällig hinwegzustehlen. Schließlich befand er sich in dem Strom der Passanten, das Tuch verkrampft in der Linken, als der Nachbarhändler aufsprang, den Esel hinter dem Karren hervorzerrte und hämisch rief: »Hier, vergiß deinen Lehrmeister nicht, du Narr aller Narren!« Und er warf unter erneutem Gelächter Umstehender dem Mann den Strick über die Schulter.
     Der also Verspottete griff mit der Rechten den Zügel, drängte sich, den widerstrebenden Vierbeiner zerrend, durch die Menge und hatte den Ort des für ihn so unrühmlichen Geschehens bald hinter sich. Einmal, als er sich umsah, meinte er unter denen, die in seine Richtung zogen, wieder jene schöne Frau zu sehen, das Gesicht von dem russischen Tuch umrahmt.

    Nach etlichen hundert Schritten jedoch war der Ärger über die Schmach von dem Mann gewichen. Mehrmals fuhr er sich verstohlen mit der Hand, die das Tuch hielt, über den Nacken. Ich habe meinen Kopf, jubelte es in ihm, meinen Kopf! Ein Wunder ist geschehen, o Allah, Allah, sei gepriesen!
    Einigemal sah er sich noch um, doch niemand folgte ihm. Aber immer klarer wurde ihm in der Freude, daß etwas mit ihm und um ihn herum geschehen sein mußte. Tot? In einer anderen Welt, in der Allahs? Zweifel kamen auf. Auch wenn sie fremde Sprachen sprechen, hellhäutig sind und ohne Schleier gehen, die Schamlosen. Es ist die Welt, die ich kenne. Das Pflaster, grob und holprig, das ist Chiwa! Und er fuhr mit der Hand die Lehmmauer entlang, die zum Eingangstor der Karawanserei führte. Und das keifende Weib vorhin, die Schadenfreude, der Spott? Nichts hat sich verändert. Das alles hat nicht Platz in Allahs Reich, so sagt Mohammed, der Prophet.
     Der Mann war, obwohl, wie er sich immer wieder vergewisserte, niemand ihm folgte, bemüht, schnell voranzukommen, darauf bedacht auch, daß der Esel keinen Menschen rempelte, damit nicht etwa neuer Ärger provoziert wurde und abermals Leute aufmerksam würden. Er blickte wenig nach links und rechts, eilte gesenkten Kopfes, durchquerte die Karawanserei. Kauflustige, Händler und Passanten drängten sich. Gelegentlich hörte man unwillige Bemerkungen, weil wohl Esel diesen Weg nicht benutzen sollten. Da wären dann die Gewölbe leer, dachte der Mann einen Augenblick in einem Anflug von Spott. Aber er beschleunigte noch den Schritt, als er den Ausgang sonnengleißend vor sich sah.
     Das wenige, was er so von der Umgebung wahrnahm, war Bekanntes und wieder Nichtbekanntes, eine Tatsache, die durchaus nicht dazu angetan war, seine Gedanken zu entwirren. Mit aller gebotenen Scheu blickte er in offene, lachende oder auch verschlossene, besorgte junge und alte Gesichter, in solche von Männern und ebensooft in die unverschleierter Frauen.
    Als er das neue Mausoleum Pachlawan-Machmuds erreicht hatte, fiel er in leichten Trab. Unbewußt nahm er wahr, daß etliche der im vorigen Jahr erst verlegten Keramikfliesen fehlten. Schlechte Arbeit, dachte er. Aber dieses Verwunderliche wurde von anderem, noch weniger Faßbarem verdrängt. Plötzlich merkte er, daß er völlig anders bekleidet war als zu dem Zeitpunkt, da er den Kopf auf den Richtklotz legte. Lediglich ein sackähnliches, ärmelloses Hemd hatte man ihm dort übergestülpt, schön halsfern… Trotzdem hatte dieses Gewand im Nacken heftig gescheuert, und er erinnerte sich, wie er dem Henker zugerufen hatte, daß davon wohl der Hals wund werden würde…
     Dann stellte er fest, daß er kräftiger auszuschreiten vermochte als früher, daß auch sein Körperumfang zugenommen hatte, und das bei der mehr als mageren Kost der letzten Tage im Verlies. Und der Zahn, der Eckzahn! Er verhielt, fühlte mit der Zunge. Beim Handgemenge im Garten vom Sommersitz des Beis, dort, wo das Unglück begann, war er verlorengegangen. Der Stumpf hatte die Zunge wund gerieben… Aber dieser Zahn befand sich an seinem Platz!
     Trotz all dieser Wunder war das Bestreben des Mannes darauf gerichtet, die Stadt so schnell wie möglich zu verlassen, weg von den Menschen, weg von einer erneut drohenden Festnahme, sich sammeln, alles überdenken…
    Als er so überlegte, schwang sich wieder Jubel in ihm auf, Freude darüber, daß er lebte. Selbst der schmerzliche Gedanke, daß die Geliebte vor seinen Augen starb, trübte das Frohlocken nur wenig. Es war nach Allahs Willen

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