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Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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solche gemeint war.
     »Aus aller Welt. Amerikaner und Deutsche. Benehmen sich, als ob ihnen die Welt gehört. Krakeelen herum im Mausoleum des Muhammed-Sultans, keine Ehrfurcht vor dem alten Timurlenk. Aber Weiber sind dabei. Als ich letztens dort war, habe ich eine gesehen, eine Blonde, die hatte eine gänzlich durchsichtige Bluse an und nichts darunter außer einem…« Er zeigte eine großmächtige Auswölbung mit den Händen und lachte.
    »Im Mausoleum…« Nasreddin sann den Worten nach. Das haben sie doch gerade angefangen zu bauen auf allerhöchsten Befehl des Gebieters. Nein, hatten! Vor fünfhundert Jahren. Und es existiert noch! Und sogar jener führt im Zusammenhang mit Timurlenk das Wort Ehrfurcht im Munde. Also wird man ihn dort begraben haben, so wie er das gewünscht hatte. Somit ist er also nicht auf dem geplanten Chinafeldzug ums Leben gekommen, gespießt und verbrannt… Und einen Au genblick befiel Nasreddin so etwas wie Wehmut. Ein unbändiger Wunsch machte sich in ihm auf einmal breit: nach Samarkand! »Wann geht eine Karawane nach Samarkand?« fragte er. »Und könnte man sich dieser anschließen?«
     »Du bist unverbesserlich!« Aber jetzt lachte Igor Josephowitsch. »Erst mal hast du einen Arbeitsvertrag. Und bevor nicht der letzte Strauch abgeerntet ist, kommst du hier nicht weg, dafür verbürge ich mich. Der Vorsitzende holt dich, wenn es sein muß, mit der Miliz zurück. So, und denke nicht, daß du soviel Urlaub bekommst, um vielleicht per Auto nach Samarkand zu reisen. Da wirst du schon ein paar Scheinchen mehr springen lassen müssen und mit dem Flugzeug fliegen, wenn du hin willst, und ein Quartier mußt du dort auch nachweisen, sonst lassen sie dich erst gar nicht rein…«
     »Mit dem Flugzeug…« Nasreddin wiederholte erneut einen unfaßlichen Begriff, diesmal schon mit Absicht, denn er hatte erfahren, daß er so meist zusätzliche Informationen bekam, die ihm halfen, sich vom Neuen ein Bild zu machen.
     »Nun«, spottete Igor, scheinbar auf Nasreddins Gehabe eingehend, »wie ein Vöglein durch die Luft fliegen, und in anderthalb Stunden bist du bei Timurlenk, dem Gebieter.«
     »Wie ein Vogel durch die Luft.« Nasreddin lachte auf. »Wenn du heimzahlen willst, weil du meinst, daß ich dich zum besten habe, darfst du es nicht so plump machen. Wie ein Vogel…« Und er lachte abermals.
    Dann aber nahm er erstaunt die Reaktion des anderen wahr. Der Spott in dessen Gesicht hatte Aufmerksamkeit Platz gemacht. Igor Josephowitsch erhob sich von der Liege, ging auf Nasreddin zu, betrachtete ihn von oben bis unten, schritt, so weit es der kleine Raum gestattete, im Abstand um ihn herum, den Blick fest auf ihn gerichtet. Dann blieb er abermals vor ihm stehen, tippte ihm mit dem Finger gegen die Brust und sagte fordernd: »Kann ich mal deine Papiere sehen?«
     Nasreddin runzelte zwar die Stirn, holte jedoch den abgegriffenen Schein hervor und gab ihn Igor.
     »Aha, ein Provisorium«, er las, »und wo warst du vorher? In einem Heim vielleicht, einer Klinik?«
     Nasreddin zögerte. Heim hatte etwas zu tun mit daheim, dachte er, schien also harmloser zu sein. Deshalb murmelte er: »Heim.«
     »Und bist du geheilt? Wahrscheinlich als harmlos eingestuft und entlassen, hm?«
     Nasreddin spürte das Taktlose in der Rede des anderen nicht. Er sann nur nach, wie er am geschicktesten antworten könnte, ohne dem Frager neue Ansätze für Gerede zu geben. Auch wollte er selbst nicht etwas eingestehen, was er nicht übersah, was aber Anlaß sein konnte, ein Bild über sich selbst zu zeichnen, das bei den Mitmenschen einen völlig falschen Eindruck hinterließ; denn, daran zweifelte Nasreddin nicht, jener würde nichts, was er erfuhr, für sich behalten. »So ähnlich ist es.« Nasreddin nickte.
     Auch der andere nickte wie verstehend, als wollte er sagen: Drum. »War es schwer?« fragte er dann, und echtes Mitgefühl schwang einen Augenblick mit.
     Wieder verstand Nasreddin nicht. »Es ging«, sagte er dann. »Allah läßt einen wahren Gläubigen nicht im Stich.«
    »Ja, ja«, erwiderte Igor besänftigend. »Allah ist groß. Vielleicht kommt man so wie du am besten durch die Welt.«

 Nasreddin wurde einer Antwort enthoben. Ohne zu klopfen, stürzte die Hundertzöpfige ins Zimmer und rief: »Genosse Nasreddin, den Esel können Sie bei uns unterstellen, sagt meine Mutter. Platz ist genügend.«
     »Oh, da freue ich mich«, antwortete Nasreddin mit einer leichten Verbeugung. Und zu seinem

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