Der Geist des Nasredin Effendi
beiden kräftigen Astgabeln und den dünnen, festen Stamm, der einen prächtigen Bratspieß abgeben würde. Offensichtlich diente die Stelle öfter derartigen Gelegenheiten, denn er entdeckte mehrere Feuerstellen, von denen er sich die beste aussuchte.
Erst entfachte Nasreddin ein großes Feuer, türmte Schwemmholz vom Ufer darauf, armdicke Stücke, und deckte das Ganze mit Reisig ab.
Als sich Nasreddin dann dem Tier zuwandte, tat es ihm sekundenlang leid. Er murmelte: »Allah, vergib mir, aber du hast gewollt, daß deine Kreatur des Menschen Äsung sei.« Und mit einem kräftigen Schlag tötete er das Tier, zog ihm das Fell ab und weidete es aus, wie er es schon als Kind im Haus der Eltern gelernt hatte, wie jeder im Land es lernte. Dann hatte er eine Verschnaufpause. Nach seiner Schätzung mußten noch gut zwei Stunden Zeit verbleiben, bevor die anderen auftauchen würden. Da entledigte er sich der Kleider und nahm zufrieden ein ausgiebiges Bad im Fluß, der in der Biege einen ordentlichen sandigen Strand gebildet hatte.
Nasreddin stieg aus dem Wasser, als aus seinem Meiler Flammen züngelten. Er deckte das Feuer noch einmal ab, richtete aber bereits den Bratspieß mit dem Tierkörper her, wobei er das Fleisch ordentlich mit Salz und Knoblauch einrieb und mit Sonnenblumenöl übergoß.
Als die Flammen verflackert waren und sich ein mächtiges Glutbett gebildet hatte, schob Nasreddin den Spieß darüber und begann ihn langsam an einem stehengelassenen Ast zu drehen. Bald stieg bläuliches, das Wasser im Mund zusammenziehendes duftendes Rauchgekräusel in den sommerlichen Himmel.
Als die Gruppe junger Leute anrückte, hatte der Braten schon eine braune Kruste, und sein Aroma zog das gesamte Flußtal entlang.
Johlend kamen sie näher, zehn, zwölf – neun junge Männer und drei Mädchen –, die Nasreddin gar nicht alle kannte, wenn, dann nur vom Sehen. Offenbar arbeiteten sie nicht alle im Kolchos, aber alle ließen sie ihn jovial und sehr gönnerhaft hochleben, ausgelassen und lautstark. Sie hoben Nasreddin auf die Schultern und schleppten ihn um die Feuerstelle, und erst als er rief, daß der schöne Braten verbrenne, ließen sie ihn herunter. Aber da kam bereits einer mit einem großen Glas Selbstgebranntem, und sie prosteten Nasreddin zu, obwohl er, eingedenk der Worte des Propheten, gar nicht die Absicht hatte zu trinken. Als sie ihn nötigten, tat er so, als ob.
Sie begannen Mitgebrachtes, Brot, Maiskolben, Mineralwasser, Melonen und Obst, auszupacken, breiteten Decken aus, und alsbald glich der Uferstreifen einem kleinen Basar.
Einigemal hörte Nasreddin am Feuer Igor angeberisch sagen: »Na, was habe ich gesagt, auf Nasreddin ist Verlaß«, und ihm war, als klinge es spöttisch und schadenfroh, und er spürte dies auch in der Reaktion der anderen. Nur die Hundertzöpfi ge, Gusals Tochter, schien zurückhaltender. Er sah sie manchmal nachdenklich abseits sitzen. Als andere sie hänselten, wies sie die schroff ab, und es schien ihm auch, als ob sie ihn das eine oder andere Mal mitfühlend ansah, so auch, als habe sie ihm etwas mitzuteilen, wolle ihn vom Drehen des Spießes abhalten.
Als sie alles ausgepackt hatten, begannen sie Nasreddin ungeduldig mit Fragen zu attackieren, wie lange der Braten wohl noch benötige. Einer rief, er solle sich beeilen, bevor die Heuschrecken sie vom Fluß vertrieben, worauf alle schallend lachten, mit Ausnahme der Hundertzöpfigen, die mit dem Fuß aufstampfte, zornig in die Runde sah und sich wütend abwandte.
»Den Braten mögen die Heuschrecken nicht«, sagte Nasreddin ernsthaft mit großer Ruhe. »Aber warum geht ihr nicht baden?« fragte er möglichst gleichmütig. »Vertreibt euch im Wasser die Zeit, derweil ich das hier vollende. Ich habe mich im Fluß bereits erfrischt, und ich sage euch, es ist herrlich.«
Unerklärlicherweise verebbte der Lärm etwas nach diesen Worten Nasreddins. Einer fragte: »Du bist Nasreddin, der Chodscha aus Aksehir?«
»Du sagst es«, antwortete der Gefragte und drehte gelassen den Spieß.
»Du kennst seine – Streiche?«
Die anderen verfolgten mit Interesse den sich anspinnenden Disput, stellten Gespräche und Frotzeleien ein.
»Ich kenne – meine Streic he, wenn es sie gibt.«
»Du weißt, was man über dich sagt?« Jetzt lachten wieder einige.
»Nein. Wenn du nicht diese Schreibereien in der Zeitung meinst. Das bin ich nicht.«
»Wo denkst du hin!« Erneut Gelächter. »Ich meine die vielen
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