Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
Vom Netzwerk:
märchenhaften Ansichten. Und dies drang natürlich auch zu Igor Josephowitsch Barswili, dem Kolchosnasreddin, dem man das nicht ohne Spott hinterbrachte, etwa solcherart: Daß er sich nun aber anstrengen müsse, da der andere, weil reicher an Jahren, sicher auch über größere Erfahrungen verfüge. Oder daß er nun auch, um standesgemäß zu bleiben, sich einen Esel anschaffen müsse. Natürlich gehöre nun der Chalat ebenso dazu wie der kleine Turban.
     Jener Igor ertrug das mit Gleichmut, aber er gestand sich ein, daß er neugierig war auf den, der da Stube und Nachrede mit ihm teilen sollte.
     Auch Nasreddin hatte von seinem Nebenbuhler vernommen. Aber kraft seines Wissens von seiner Echtheit nahm er das nicht tragisch. Schließlich, soweit hatte er das begriffen, schien in der neuen Zeit Nasreddin so eine Art Symbolfigur zu sein. So deutete er auch das Konterfei in der Zeitung. Und jener hier war wohl ein Spaßvogel und daher sicher einer, mit dem es sich auskommen ließ. Menschen mit Humor, mit echtem, der von innen kommt, pflegten mit allem um sie her leichter fertig zu werden, waren wohl meist verträgliche Menschen, so daß das gemeinsame Wohnen Nasreddin von vornherein problemlos erschien.
    Als er das Zimmer betrat, lag Igor Josephowitsch mit hinter dem Kopf verschränkten Armen auf der Liege. Grüßte zurück, als sich Nasreddin leicht verneigte, aber er erhob sich nicht, sondern beobachtete den Neuling.
     Nasreddin suchte einen Platz für seine Körbe und das kleine Bündel, verstaute die ersteren unter der Liege, das Bündel im Spind, der bereits zu zwei Dritteln belegt war.
     »Ich bin Igor Josephowitsch Barswili«, sagte der Mitbewohner und hob eine Hand zum Gruß, die er jedoch gleich wieder hinter dem Kopf verschwinden ließ. »Bin schon das dritte Jahr hier.«
     »Ich bin Nasreddin, der Chodscha«, antwortete Nasreddin mit Würde. »Allah möge über unsere Eintracht wachen, sie beschützen!«
     »Weiß Gott, du bist gut!« rief der andere. »Da kann man etwas lernen.«
     »Nun«, ein feines Lächeln spielte um Nasreddins Mund, »das ist mein Beruf, den mich Allah in Gnade ausüben ließ.«
     »Schon gut, schon gut«, Igor lachte. »Übernimm dich nicht gleich am Anfang. Wo kommst du her?«
     »Ursprünglich aus Aksehir. Der Geb…«, Gebieter hat mich gerufen, hatte er sagen wollen. Der Satz blieb ihm im Hals stecken. Wie würde jener reagieren? Sicher wußte er bereits, wie er mit den Pflückern des Kolchos bekannt geworden war, aber deshalb muß ich mich nicht bewußt seinem Spott aussetzen. Ausbleiben wird er ohnehin nicht. Er fuhr daher fort: »Aus Chiwa und Urgentsch.«
    »Hast du Urlaub, mitten in der Baumwollsaison, daß du es dir leisten kannst herumzuspazieren. Das würde ich mir übrigens anders einrichten. Wenn du jetzt Urlaub hast, hast du auch einen kulanten Chef.«

     »Urlaub…« Das Wort sprach Nasreddin wie nachdenklich aus, weil er in Wirklichkeit nichts damit anzufangen wußte.
     Der andere faßte es als Zustimmung auf, womit er sich offensichtlich auch zufriedengab, denn er setzte den Gedanken nicht fort. Er sagte statt dessen: »Ein übler Laden hier, wenn du nach dem Chef gehst. Der hat nur Baumwolle, Baumwolle und den Plan im Kopf. Ein Antreiber. Kann nicht fassen, daß dieses Jahr die Wunderwolle einiges von ihrem Zauber eingebüßt hat, daß sie woanders auch wächst, er natürlich mehr bringen muß. Und dann das Wetter… Aber sag das dem einmal. Du hast ihn noch nicht erlebt…«
    »Und warum bist du hier, wenn es dir nicht gefällt?« fragte Nasreddin freundlich.
     »Einer ist keiner… Und verdienen läßt sich’s hier nicht schlecht.« Er rieb Daumen und Zeigefinger aneinander, wobei er endlich seine Stellung aufgab und sich aufsetzte. »Du hast einen Esel?« fragte er.
     »Ja, seit ich denken kann. Hast du keinen? Ein Nasreddin ohne Esel, das ist wie ein Bach ohne Wasser, mein Freund.«
     »Ich habe das obligatorische Schaf.« Er verzog sein Gesicht zu einer verächtlichen Grimasse, lächelte aber dabei. »Paß auf, morgen hast du auch eins. Eine Marotte des Vorsitzenden. Alle Ledigen – du bist doch ledig? – bekommen ein Schaf, für das sie sorgen müssen. Er will uns damit seßhaft machen, verstehst du? Wenn du willst, bekommst du ein Stück individuelles Land, kannst dir ein Haus bauen, eine Frau nehmen, Kinder zeugen, ein Bauer werden. Bei mir hat er kein Glück.«
     Einige Worte hatte Nasreddin nicht verstanden, aber den Sinn des Gesagten. So

Weitere Kostenlose Bücher