Der Geisterfahrer
nicht, entgegnete der Angestellte, da ja der Check auf 202.36 ausgestellt sei und er ihn genauso verbuchen müsse. Ihr könnt euch vorstellen, dass ich ziemlich baff war. Das werde ja wohl nicht heißen, dass ich wegen eines Rappenbetrags mein Geld nicht ausbezahlt
bekomme, sagte ich, da müsse es doch irgendeine Lösung geben. Am einfachsten wäre es, sagte der junge Mann, ich würde bei ihnen ein Konto eröffnen, dann könnten sie mir den ganzen Betrag gutschreiben und ich könnte auch sogleich z. B. 200 Franken abheben. Nun wurde ich bockig. Ich habe ein Konto bei einer der Großbanken, ich habe ein Konto bei einer ethisch einwandfreien Bank, und ich habe durch meine Erbschaft ein Konto auf einer Regionalbank, und das genügt mir, ich wollte nicht noch ein zusätzliches Konto bei einer weiteren Bank, sondern ich wollte eigentlich nur schnell die zwei Hunderter abholen.
Sonst müsste ich halt den Check wieder an den Aussteller zurückschicken und ihn bitten, den Rappenbetrag abzurunden oder mir auf die nächste Auszahlung gutzuschreiben.
Bei diesem Vorschlag muss sich mein Gesichtsausdruck stark verändert haben, denn der Angestellte hob abwehrend beide Hände hoch und wandte sich hilfesuchend nach hinten. Dann bat er mich einen Moment um Entschuldigung, verließ den Schalter und stellte sich weiter hinten vor den Schreibtisch seines Vorgesetzten, eines älteren Mannes mit einer Glatze und einer Hornbrille, der natürlich gerade telefonierte. Es dauerte ein paar Minuten, bis dieser sein Gespräch beendet hatte, und nun legte ihm mein Schaltermensch offenbar meinen Fall dar, der Mann blickte kurz durch seine Brille zu mir herüber, etwa so wie der Chef eines Polizeipostens, dem gerade ein Kleinkrimineller zugeführt wird.
Dann nahm er den Check in die Hand und kam zu mir, gefolgt vom Angestellten, der am Problem gescheitert war.
›Herr Kilchenmann‹, sagte er mit erzwungener Freundlichkeit zu mir, ›Sie möchten nicht ein Konto bei uns eröffnen?‹
›Nein‹, sagte ich, ›wirklich nicht. Tut mir leid.‹
›Das tut uns auch leid‹, sagte der Vorgesetzte mit dem Anflug eines Lächelns, ›das Problem ist eben – ‹
›Ich weiß‹, sagte ich, ›aber ich schenke Ihnen diesen Rappen!‹
›Sie schenken uns diesen Rappen?‹, fragte der andere ernst, während sein Angestellter den Kopf hinter seiner Schulter hervorstreckte.
›Aber gern und von Herzen‹, sagte ich, und fügte hinzu, ›wissen Sie, ein Rappen ist auch nicht mehr, was er früher war.‹
Der ältere Herr überhörte diesen Scherz und sagte, das lasse sich machen und ich solle mich einen Augenblick gedulden, er werde gleich das nötige Formular holen, es sei eins, das sie eben nicht alle Tage bräuchten. Damit ging er zum Schalterraum hinaus, um erst nach ein paar weiteren Minuten wieder zurückzukommen, drei Blätter flatterten in seiner Hand, und hinter ihm her kam, ob ihr’s glaubt oder nicht, eine Sekretärin, die eine elektrische Schreibmaschine in den Armen trug.
›Das Problem ist, Herr Kilchenmann‹, sagte er zu mir, ›dass die Schenkungsformulare noch nicht computerisiert sind, dass wir sie also noch mit der Maschine ausfüllen müssen. Haben Sie an das Durchschlagpapier gedacht, Frau Velazquez?‹ Daran hatte sie nicht gedacht, sie glaubte, sie würden eine Fotokopie machen, sagte sie. Nicht bei den Schenkungsformularen, die müssen echt
sein, da jedes eine Nummer trage, sagte der Herr mit der Hornbrille, der sich inzwischen als Herr Hirschi vorgestellt hatte.
›Hören Sie‹, begann ich, ›das wird mir zu kompliziert, ich glaube, ich schicke den Check meiner Bank, die soll ihn dann meinem Konto gutschreiben.‹
Herr Hirschi versicherte mir, es dauere bestimmt nicht lange, und ich merkte, dass ich meine Bancomat-Karte nicht dabei hatte, dass ich also sonst nochmals nach Hause müsste, und während der junge Angestellte unter den Schalter kroch, um eine Steckdose für die Schreibmaschine zu suchen, beschloss ich, hier zu bleiben und auf mein Geld zu warten.
Frau Velazquez brachte nun das Durchschlagpapier, spannte die Formulare in die Schreibmaschine ein, welche sie behelfsmäßig auf die Theke hinter dem Schalter gestellt hatte, und begann meine Personalien abzufragen. Die Neugier der Bank reichte bis zu meiner Konfession, und als ich deswegen eine Bemerkung machte, sagte Herr Hirschi, der zusammen mit dem pomadisierten Jungen hinter Frau Velazquez stand und darüber wachte, dass diese alles richtig eintrug, es sei
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