Der Geisterfahrer
Armin, die AHV-Nummer soundso habe. Ich schaute nach und bestätigte dies, und dann fragte ich, worum es denn gehe. Um die Schenkung, die ich vor zwei Jahren einer Bank gemacht habe, es habe dort auf dem Formular meine AHV-Nummer gefehlt, und sie hätten sie nun nachgetragen und wollten sich nur versichern, dass sie richtig sei. Ich lachte und fragte, ob sie keine größeren Sorgen hätten?
Die Höhe des Betrags, sagte mir der Mann am andern Ende der Leitung, spiele keine Rolle, die Unterlagen müssten einfach korrekt sein. Ich wusste nicht, ob ich mich ärgern oder amüsieren sollte, und entschied mich dann für das zweite. Aber der Ärger kam schneller, als ich dachte.
Zwei oder drei Monate später rief mich ein Steuerkommissär an und bat mich, mit meinen Unterlagen bei ihm vorbeizukommen. Es ging um meine letzte Steuererklärung. Nun bin ich ja selbständig erwerbend, muss aber sagen, und das klingt jetzt vielleicht etwas bieder, dass ich mich irgendeinmal entschieden hatte, alle meine Einnahmen anzugeben, damit ich mich ohne schlechtes Gewissen über die Leute aufregen kann, die das nicht tun und ruhig in ihren Villen am Zürichberg sitzen, während ihr Geld auf irgendwelchen Off-shore-Banken für sie arbeitet. Allerdings ziehe ich auch minutiös alles ab, was man abziehen kann, und das ist bei meinen Berufsauslagen nicht wenig. Meine Selbsteinschätzungen wurden während mindestens dreißig Jahren akzeptiert, manchmal mit kleinen Korrekturen, und in der ganzen Zeit musste ich nur ein einziges Mal auf dem Amt anmarschieren, deshalb war ich etwas erstaunt über diese Aufforderung.
Ich packte also meine Einnahmen- und Ausgabenbelege zusammen und fand mich zum abgemachten Termin bei meinem Steuerkommissär ein. Der betonte, dass es sich um eine Routinekontrolle handle, wie sie bei selbständig Erwerbenden von Zeit zu Zeit gemacht werde, und stellte mir einige Fragen, die ich alle anhand meiner Belege beantworten konnte. Ob das möglich sei, fragte er unter anderem,
dass ich für den Fotoband über die Innerschweiz, den er selbst besitze und in dem etliche Fotos von mir seien, nur 202.35 bekommen habe. Ich war zuerst einmal geschmeichelt, dass er meine Fotos kannte, dann erklärte ich ihm, dass die 10% Urheberhonorar, die vom Verkaufspreis weggingen, unter allen beteiligten Fotografen proportional zu ihren Beiträgen verteilt werden, und zeigte ihm auch die Vergütungsmitteilung des Verlags, welche seinerzeit mit dem Check eingetroffen war.
Eigentlich wären es 202.36 gewesen, sagte der Beamte, nachdem er meinen Eintrag mit dem Verlagsbrief verglichen hatte.
›Ich habe aber‹, sagte ich, ›nur 202.35 bekommen, weil ich mir den Check bar auszahlen ließ und die Bank keine Rappen ausbezahlt.‹
Ob ich noch wisse, um welche Bank es sich gehandelt habe, fragte der Beamte.
Natürlich wusste ich das, sagte ihm auch, dass ich seither nie mehr ein solches Theater um einen solchen Betrag erlebt hätte.
In dem Zusammenhang wolle er mich fragen – und nun merkte ich, dass er erst zu dem kam, weswegen er mich vorgeladen hatte – wie es komme, dass ich auf der Donatorenliste ebendieser Bank stünde.
Ich glaubte mich verhört zu haben. ›Donatorenliste?‹, fragte ich, ›Donatorenliste?‹
Diese Privatbank habe immer wieder Schenkungen von Kunden entgegengenommen, die sie dann in ihre Stiftung habe fließen lassen, wodurch diese Beträge dem Fiskus entzogen worden seien.
Ob das nicht ein allgemein bekannter Zweck von Stiftungen sei, warf ich ein.
Wenn es wirklich eine Stiftung sei, ja, sagte er, aber bei dieser Stiftung seien große Unklarheiten aufgetaucht, die das Delikt des Steuerbetrugs vermuten ließen, und bei einer Kontrolle sei mein Name bei diesen Schenkungen auch aufgetaucht. Wie hoch denn der Betrag sei, den ich der Bank geschenkt habe.
›1 Rappen‹, sagte ich.
Es gehe hier um eine ernste Sache, und er bitte mich, keine Witze zu machen, sagte der Beamte, der übrigens Schellenberg hieß.
Ich erzählte ihm, was sich damals abgespielt hatte, und er hörte so ungläubig zu wie ihr vorhin. Dann fragte er mich, ob ich eine Kopie des Schenkungsformulars habe. Ich hatte mich aber damals so geärgert, dass ich mein Formular sofort weggeworfen hatte.
›Aber Sie werden doch eins haben‹, sagte ich, ›es hat mich deswegen sogar mal jemand angerufen vom Steueramt. ‹
Wer denn das gewesen sei, welche Abteilung.
Ich hätte wirklich anderes zu tun, als mir solche Bagatellen zu merken, sagte ich. Ich
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