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Der Geisterfahrer

Der Geisterfahrer

Titel: Der Geisterfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Hohler
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zurückkomme, sich versichern, dass Dragan nicht in der Nähe stehe. Als er ihr Dragans Aussehen schilderte, sagte Olivia, so sähen aber ziemlich viele aus. Das könne sein, meinte Charles, aber an seinem stechenden Blick werde sie ihn sofort erkennen.
    Philipp brannte darauf, nach dem Abendessen mit seinem Vater eine Partie Schach zu spielen, denn er hatte am Nachmittag gegen den Computer gekämpft, und Charles spielte so unkonzentriert, dass er zum ersten Mal gegen seinen Sohn verlor. Der Junge jubelte, und Charles sagte, das nächste Mal werde er keine Chance mehr haben.
    »Papi, wieso prügeln die Jugos immer?«, fragte ihn Philipp, als er die Figuren neu aufstellte.
    »Tun sie das?«, fragte Charles.

    Ja, in ihrer Klasse schon, heute hätten sie Ramón in der Unterführung abgepasst und ihn verhauen.
    »Warum denn?«, fragte Charles.
    Ramón rufe ihnen eben immer nach, alle Jugos seien schwul.
    Charles antwortete ihm, erstens solle er nicht Jugos sagen, das sei abwertend, und von Ramón sei das natürlich ziemlich dumm gewesen, das wäre etwa dasselbe, wie wenn ihm die Serben oder Kroaten oder Bosnier nachrufen würden, alle Spanier seien Weiberschmecker.
    »Das tun sie ja auch«, sagte Philipp.
    Charles seufzte. Es sei nie gut, wenn man andern sage, sie gehörten zu dem und dem Volk und deshalb seien sie so und so. Das heiße, dass man den andern nicht mehr als Mensch anschaue, und dafür gebe es ein Wort, das er bestimmt schon gehört habe.
    »Rassismus«, sagte Philipp und strahlte.
    »Genau«, sagte sein Vater und stellte seinen Bauer auf e4.
    »Und Rassismus ist nicht gut«, sagte Philipp, während er ihm seinen Bauern auf e5 gegenübersetzte.
    »Nein, gar nicht. Aus Rassismus kann es Krieg geben.«
    »Ist eigentlich Schach auch Rassismus?«, fragte Philipp weiter.
    »Wie kommst du denn darauf?«
    »Weil die Weißen gegen die Schwarzen spielen.«
    Charles musste lachen und dachte dann, wie leicht es war, einem Kind zu erklären, dass Rassismus nicht gut ist, und wie schwer es war, diese Erkenntnis auch anzuwenden.

    Am nächsten Morgen stand Dragan bereits auf dem Perron, als die S-Bahn einfuhr. Rusterholz fasste ihn ins Auge und steuerte direkt auf ihn zu, doch da stieg Dragan ein, Rusterholz rannte zur selben Türe, stieg ebenfalls ein und ging durch den unteren und den oberen Stock, ohne ihn zu finden. Die Leute standen so dicht vor den Türen zu den nächsten Waggons, dass er es schließlich aufgab. Auf dem Hauptbahnhof sah er keine Spur mehr von Dragan.
    Er erblickte ihn erst wieder, als das Tram kam. Dort stand er mit einem seiner Kollegen zuhinterst, und als es weiterfuhr, ohne dass Rusterholz eingestiegen war, warf ihm Dragan aus dem wegfahrenden Tram seinen stechenden Blick zu.
    Wieder versuchte sich Rusterholz vorzustellen, welchen Weg Dragan genommen haben könnte, und wieder musste er sich sagen, dass es zwar unwahrscheinlich, aber möglich war, falls dieser sofort durch den Hinterausgang des Bahnhofs zur dort gelegenen Tramhaltestelle gelaufen wäre.
    Rusterholz ging vom Bahnhof aus zu Fuß zu seinem Arbeitsplatz, und er wählte nicht den Weg, welcher der Tramlinie folgte.
    Am Abend setzte er sich für die Heimfahrt vorsichtshalber in die 1. Klasse und ärgerte sich über vier Mädchen, die laut lachend in einem Abteil saßen und denen man auf den ersten Blick ansah, dass sie keine Billette 1. Klasse hatten; das kam immer mehr auf, dass Junge das taten und einfach hofften, es gebe keine Kontrolle, aber dann sollten sie bitte nicht auch noch die andern Passagiere stören. Rusterholz überlegte sich, ob er sie zurechtweisen sollte,
bis er merkte, dass er ja selbst auch ohne 1. Klasse-Billett fuhr.
    Am Abend ging er mit Olivia und Philipp noch ein bisschen in den nahe gelegenen Park. Es gab dort einen Teich, an dem sie ab und zu ihr altes Brot den Enten verfütterten, und Philipp hatte heute diesen Vorschlag gemacht. Nach der Raubtierfütterung, wie sie Olivia scherzhaft nannte, setzten sie sich auf die Ufersteine, und Philipp versuchte mit einem Stecken Blätter zu erreichen, die in der Nähe des Ufers schwammen.
    »Siehst du«, sagte Charles leise zu Olivia, »dort drüben sitzt er.«
    »Wer?«
    »Dragan. Es ist der mittlere von den dreien.«
    Auf der andern Seite des Teiches saßen drei junge Männer mit Lederjacken und tief ins Gesicht gezogenen Mützen, einer davon telefonierte mit seinem Handy, und Dragan schaute wie zufällig zu ihnen herüber.
    »Gut«, sagte Olivia, »ich hab ihn

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