Der Geisterfahrer
könne mich an keinen Namen und keine Abteilung erinnern. Und wieso er denn das Formular nicht habe, wenn er schon meinen Namen habe.
Die Unterlagen seien bei der Bezirksanwaltschaft, welche gegen die Bank ermittle, und seine Abteilung habe nur die Namen der Donatoren bekommen, und da sei ihm eben der meine auch aufgefallen.
›Hören Sie mal‹, sagte ich, und nun wurde ich langsam aufgebracht, ›da bahnt sich ein gigantisches Missverständnis an, ich wurde von der Bank gezwungen, ihr einen Rappen zu schenken, weil sie ihn mir nicht auszahlen wollte, obwohl er auf dem Check stand.‹
Ich müsse zugeben, dass das nicht sehr wahrscheinlich klinge, sagte Schellenberg, und es sei sehr schade, dass ich den Beleg nicht aufbewahrt habe.
›Wer bewahrt denn einen Beleg über einen geschenkten Rappen auf?‹, sagte ich, ›hier haben Sie alle meine Ausgabenbelege, da sind sogar Telefonate für 1.20 oder Fotokopien für 2.50 dabei, aber 1 Rappen liegt einfach unterhalb jedes vernünftigen Buchhaltungsinteresses!‹
Es falle ihm eben auch auf, sagte Schellenberg, dass mein Vermögen in den letzten Jahren konstant abgenommen habe, und er frage sich, ob das mit Schenkungen an die besagte Privatbank zu tun habe.
Das habe damit zu tun, dass ich vor Jahren eine Erbschaft gemacht habe, übrigens korrekt versteuert, und mir seither Ausgaben gestatte, die ich mir sonst nicht leisten könnte, sagte ich mit wachsendem Unmut, und er solle sich doch bitte an die Realität halten.
Das tue er, aber es gehe ihm um ein paar Lücken in dieser Realität.
Ich bat ihn um ein Telefonbuch, damit ich gleich von hier aus Hirschi anrufen und ihn wegen der Donatorenliste zur Rede stellen könne. Bei dieser Gelegenheit könne er ihm, sagte ich, auch die Geschichte mit dem Rappen bestätigen.
Ich bekam das Telefonbuch, ich bekam die Bankfiliale,
aber Herrn Hirschi bekam ich nicht. Der arbeite nicht mehr bei der Bank, wurde mir mitgeteilt. Ob man mir sagen könne, wo er wohne, fragte ich, es handle sich, fügte ich mit einem Seitenblick auf Schellenberg bei, um etwas Wichtiges. Herr Hirschi, so lautete die Auskunft, sei leider gestorben.
Einen Moment lang war ich erschrocken, wie immer, wenn mich eine Todesnachricht erreicht. Dann wurde ich sachlich. Herr Hirschi ging mich wirklich nichts an, und ich sagte zum Steuerbeamten, er könne machen, was er wolle, er dürfe ruhig mein Einkommen um einen Rappen hinaufsetzen, ich hätte finanziell nicht das Geringste zu verbergen, und auch den Ermittlungen der Bezirksanwaltschaft sähe ich mit Gelassenheit entgegen, was meine Schenkungen an die Bank betreffe.
Wieder zu Hause, rief ich nochmals die Bank an und verlangte jemanden, der für Schenkungen zuständig war. Über Schenkungen führten sie keine Telefongespräche, klärte man mich dort auf, ich könne aber unter Mitnahme meiner Identitätspapiere jederzeit bei ihnen vorbeikommen und Herrn Brassel verlangen. Der Name rief mir die Szene damals wieder in Erinnerung. Aha, dachte ich, die Bank hat kalte Füße und schickt einen Jungen an die Front.
Ich überlegte mir, ob sich dieser Gang lohne, angesichts eines Rappens, aber dann sagte ich mir, dass es ja nicht um einen Rappen gehe, sondern um das Prinzip.
Zwei Tage später, als ich mit einem Auftrag etwas früher fertig geworden war, ging ich zur Bank und verlangte Herrn Brassel. Ich glaubte einen Ausdruck von Sorge im
Gesicht der Dame zu erkennen, die mich im Schalterraum abholte und mir mit ihrem Badge verschiedene Türen öffnete, bis ich in einem als ›Sitzungszimmer 3‹ bezeichneten Raum saß und gebeten wurde, hier auf Herrn Brassel zu warten. Im Raum stand ein großer runder Tisch aus Tropenholz mit einem Computer, darum herum ein paar schwere Stühle, an der Wand hing ein Foto von Herbert Maeder, sein Alpabzug mit den Schafen in dichter Kolonne auf dem steilen Bergweg.
Ich war etwas überrascht, als nicht der junge Pomadige eintrat, sondern ein gesetzter Herr mit grauem, gescheiteltem Haar und sich als Brassel vorstellte.
Ich erzählte ihm die Episode mit dem Check und dem Rappen sowie das Nachspiel auf dem Steueramt und fragte ihn, wie es käme, dass ich auf der Donatorenliste ihrer Bank stehe, auf einer Liste, die zur Zeit bei der Bezirksanwaltschaft liege, nicht nur wegen Verdachts auf Steuerbetrug, sondern auch auf Geldwäscherei, wie ich inzwischen in der Zeitung gelesen hatte.
Herr Brassel lächelte. Das mit der Geldwäscherei sei absolut haltlos, genau so wie das mit dem
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