Der Geisterfahrer
dasselbe, was auch auf den Steuerformularen stehe, da eine Kopie davon ohnehin an die Steuerverwaltung gehe. Das bringe aber für mich, fuhr er sogleich fort, gar keinen Nachteil, da ich ja der Schenkende sei, nicht der Beschenkte.
›Eben‹, sagte ich sarkastisch, ›der Beschenkte sind ja Sie, die Bank.‹
›Richtig‹, sagte Herr Hirschi, ›und wir müssen die Schenkung auch versteuern.‹
›Den Rappen?‹ fragte ich ungläubig.
›Sie können sich ja denken, dass es nicht der einzige ist‹, sagte er bedeutungsvoll und fragte mich dann, ob ich zufällig meine AHV-Nummer im Kopf habe.
Könnt ihr eure AHV-Nummer auswendig? Na also. ›Nein‹, sagte ich, ›nein, leider nicht.‹
Er wäre mir sehr verbunden, wenn ich ihn später noch anrufen würde, um ihm die Nummer mitzuteilen, sagte Hirschi, drängte sich an der Sekretärin vorbei und schob mir sein Kärtchen zu. Die Unterlagen blieben solange bei ihm, und er könne in diesem Fall eine Ausnahme machen und die Schenkung auch ohne meine vollständigen Angaben im Namen seiner Bank annehmen.
›Was ist der Zweck der Schenkung?‹, fragte nun Frau Velazquez und gab mir einen tiefen Blick aus ihren dunklen Augen.
Auf diese Frage war ich nicht vorbereitet, wohl aber Herr Hirschi.
›Wir schreiben in einem solchen Fall meistens: Gefälligkeit‹, sagte er kulant.
Das ärgerte mich, und ich schlug etwas anderes vor: ›Vereinfachung einer pekuniären Komplikation.‹
Alle drei richteten nun ihre Augen auf mich, als hätte ich eine schwere Kränkung ausgesprochen.
›Ja‹, sagte ich, ›darum geht es doch, nicht um Gefälligkeit. ‹
Fragend drehte sich Frau Velazquez zu Herrn Hirschi.
›Wir können es natürlich auch so schreiben, wenn Ihnen das besser gefällt‹, sagte er, und sie hämmerte meine Formulierung in die Tasten.
›Herr Brassel, reichen Sie bitte Herrn Kilchenmann die Formulare zur Unterschrift‹, sagte er zum Jungen, nachdem die Velazquez diese aus der Schreibmaschine gezogen hatte. Sie durfte nun gehen, und während mir der junge Brassel die Formulare sorgfältig hinüberreichte, nahm die Sekretärin die Schreibmaschine unter den Arm, drehte sich um und wollte gehen, doch da spannte sich das Kabel, und die Maschine fiel krachend zu Boden, Frau Velazquez schrie auf, dass sich alle, Angestellte und Kunden, zu unserm Schalter umdrehten und vor allem mich anblickten, als führte ich gerade einen Raubüberfall durch.
Frau Velazquez und Herr Hirschi tauchten nun hinter dem Schalter ab, um die Maschine vom Boden der Bank zu bergen und das Kabel aus der Steckdose herauszuziehen, und ich signierte als Endunterzeichner drei Formulare, auf denen ich bestätigte, dass ich der Bank den Betrag von 1 Rp. schenke, und gab sie dann wieder zurück, denn nun mussten sie auch noch von Hirschi gegengezeichnet werden.
Dessen Kopf stieg tiefrot von unten hinter dem Schalter auf, und auch Frau Velazquez, deren schwarze Haare ihr über das Gesicht gefallen waren, rappelte sich wieder hoch und trug die Maschine sichtlich verärgert und mit schnellem Schritt aus dem Schalterraum.
Hirschi setzte dreimal seine Unterschrift hin und ließ mir durch den jungen Brassel ein Exemplar des Schenkungsformulars hinausreichen. Damit stünde der Barauszahlung nichts mehr im Wege, sagte er, er warte dann bloß noch auf meinen Anruf wegen der AHV-Nummer.
›Vielen Dank für die Mühe‹, sagte ich, faltete das Papier
zusammen, steckte es ein, sagte ›Auf Wiedersehen‹ und wendete mich zum Gehen, da rief mir der Angestellte nach: ›Und Ihr Geld?‹
Fast wäre ich ohne mein Geld gegangen. Als ich die 202.35 einstrich, hatte ich das Gefühl, die hätte ich wirklich verdient, oder was findet ihr?«
Unsere Reaktionen gingen von »Das kann man wohl sagen!« bis »Ist das wirklich wahr?«
Die Regisseurin stand auf und fragte, wer von uns ein Tiramisu vom Dessertbuffet wolle, und da alle eins wollten, anerbot ich mich mitzugehen. Der Fotograf ermahnte uns, bald zurückzukommen, denn die Geschichte sei noch nicht zu Ende. Wenig später saßen wir wieder in der Ecke, löffelten das Tiramisu auf unsern Knien, und der Fotograf fuhr fort:
»Natürlich vergaß ich, den Hirschi wegen meiner AHV-Nummer anzurufen, für einen Rappen war mir das wohl auch zu läppisch, und offenbar hatte auch Hirschi anderes zu tun, jedenfalls war für mich die Sache längst erledigt und vergessen, als ich einen Anruf des kantonalen Steueramtes erhielt mit der Frage, ob ich, Kilchenmann
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