Der Geisterfahrer
Steuerbetrug, das werde die Untersuchung hoffentlich rasch zu Tage bringen, aber natürlich sei das für die Bank sehr ärgerlich, da ihr schon der bloße Verdacht schade. Dass ich auf die Donatorenliste gekommen sei, möge zwar angesichts der Geringfügigkeit des Betrags etwas merkwürdig anmuten, sei aber ein automatischer Vorgang bei ihnen. Wenn ich es wünsche, könne er meinen Namen sofort von dieser Liste löschen.
Natürlich wünschte ich das, er setzte sich an den Computer,
gab ihm einige Daten ein, stieß dann offenbar auf meinen Namen, stutzte einen Moment, und fragte mich, ob ich den Schenkungsbeleg dabei hätte.
Nein, erwiderte ich leicht gereizt, nein, ich pflege Quittungen unter 5 Rappen nicht aufzubewahren, aber es sei außer dem verstorbenen Herrn Hirschi ein junger Mann seines Namens dabei gewesen. Mein Neffe, sagte er jovial, und fuhr dann fort, es sei in Ordnung, mein Name sei gelöscht.
Ob er das bitte auch der Bezirksanwaltschaft mitteilen könne, fragte ich.
Das gehe wohl nur im Rahmen einer Einvernahme, sagte er, maßgeblich sei dort das Material zum Zeitpunkt der Beschlagnahmung.
›Ich will aber nicht, dass mein Name auf der Donatorenliste Ihrer Bank steht‹, sagte ich.
Wenn ich das beim Gericht erreichen wolle, würde er mir empfehlen, einen Anwalt zu nehmen, was vielleicht ohnehin nicht das Dümmste wäre, sagte er mit einem nochmaligen Blick auf den Bildschirm, bevor er das Programm schloss.
Ich gab auf. So wichtig sei es mir auch wieder nicht, ich hätte ohnehin schon zu viel Zeit mit dieser Bagatelle verloren. Aber das Vorgehen der Bank fände ich indiskutabel, schade, dass ich das Herrn Hirschi nicht mehr sagen könne – woran er übrigens gestorben sei, fragte ich plötzlich.
Brassel senior hüstelte. ›Tja …‹, sagte er, ›er ist… er hat uns verlassen.‹
›Selbstmord?‹, fragte ich.
Stumm hob Brassel Schultern und Hände.
›Und Ihre Stiftung? Womit beschäftigt sich die?‹
›Sie versucht, menschliches Leid zu lindern, und engagiert sich vor allem in Lateinamerika. Sie baut und unterhält in Venezuela soziale Einrichtungen für Waisen- und Straßenkinder.‹ Er forderte dann über die Gegensprechanlage eine Dokumentation an, die mir alsbald von Frau Velazquez mit den schwarzen Haaren gebracht wurde.
Ich könne diese Stiftung natürlich gerne mit einer freiwilligen Spende unterstützen, sagte mir der gepflegte Graue, und ich sagte dann, ich wolle lieber zuerst die Ergebnisse der Untersuchung abwarten.
Auf dem Heimweg dachte ich über Hirschis Tod nach. Für junge Menschen gab es genügend Gründe, sich umzubringen, auch für Lehrer, Künstler und Berufsoffiziere, aber wenn sich ein Bankangestellter umbringt, kann es fast nur um Geld gehen. Ob Hirschi mit dieser dubiosen Stiftung zu tun gehabt hatte? Ich blätterte zu Hause den Prospekt durch, es war das Übliche, im vorderen Teil Fotos von zerlumpten Kindern, die auf Abfallhalden nach Brauchbarem suchen, im zweiten Teil glücklich lachende Kinder mit Zahnlücken an einem Esstisch vor gefüllten Tellern oder in sauberen T-Shirts auf einem kleinen Fußballplatz, und im Hintergrund ein schlichtes, sauberes Gebäude, das nun ihre Wohnstätte ist, ich hatte auch schon mal einen größeren Auftrag für eine Hilfsorganisation.
Am selben Abend klingelte das Telefon, und eine Frau, die sich als Roberta Heizmann vorstellte, fragte mich, ob sie mich aufsuchen könne, es gehe um besondere Aufnahmen, die sie machen lassen wolle, und sie möchte das mit
mir besprechen. Ich mache ja Porträtaufnahmen, und von Frauen mache ich auf Wunsch auch besondere Aufnahmen, wenn ihr wisst, was ich damit meine, und so vereinbarten wir für den nächsten Tag ein Gespräch.
Es war eine sehr elegant angezogene und gut aussehende Dame, die dann vor meiner Tür stand. Ich schätzte sie auf etwas über 40.
›Sie wissen, weshalb ich komme?‹, fragte sie, als wir in meinem Arbeitszimmer saßen.
›Ich denke schon‹, gab ich zur Antwort und fragte sie, ob sie die Aufnahmen lieber in meinem Studio machen lassen wolle oder woanders.
›Was meinen Sie mit woanders?‹
›Was weiß ich, bei Ihnen zu Hause, am Swimming Pool, oder auf dem Pferd, dort, wo Sie eben wollen.‹
Die Dame lächelte und sagte, sie sähe, dass ich doch nicht wisse, warum sie komme. Es gehe um die Donatoren der Bank, zu denen ich offenbar auch gehöre, genau so wie sie.
›Oh‹, sagte ich, ›das ist ein Missverständnis – ‹ und wollte ihr erklären, wie
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