Der Geisterfahrer
sogar lästige Arbeitskollegen, mit ihm essen zu gehen, nur damit sich Starck nicht zu ihm setzt. Findet Starck keinen Platz an seinem Tisch, setzt er sich möglichst in die Nähe, zum Beispiel an den Nebentisch, so, dass er Rücken an Rücken mit Rechsteiner sitzt, was dieser fast noch weniger erträgt.
Rechsteiner und Starck haben jetzt praktisch denselben Arbeitsweg und begegnen sich jeden Morgen auf der Traminsel. Wenn Rechsteiner zufällig vor Starck das Haus verlassen hat, kommt es oft vor, dass ihn Starck auf dem Weg zur Traminsel einholt und den Rest des Weges mit ihm zusammen zurücklegt. Langsam haben sich sogar gewisse Gesprächsthemen zwischen ihnen entwickelt, weil auch Rechsteiner den andern nicht nur immer anschweigen kann, so sind sie übereingekommen, den Tag mit einer Bemerkung über das Wetter zu beginnen, weiter gibt eine Baustelle, an der man vorbeikommt, durch ihre fortschreitende Veränderung sowie ihren Lärm Anlass zu gemeinsamen Betrachtungen. Rechsteiner hat auch begonnen, auf der Tramfahrt gewisse Stichworte aus seiner Zeitungslektüre Starck zuzurufen, der danach schnappt wie ein Hund
und immer derselben Meinung ist wie Rechsteiner. Dann haben sie die Möglichkeit herausgefunden, sich über Sendungen zu unterhalten, die am Vorabend im Fernsehen gezeigt wurden, oder erwartende Gespräche über Sendungen zu führen, die nächstens gezeigt werden. Hier nun beginnt Starck, nachdem er immer zuerst die Meinung von Rechsteiner erkundet hat, seine eigene Meinung etwas von derjenigen Rechsteiners abzubiegen, betont jedoch immer, dass er im großen ganzen derselben Meinung sei. Die Frisuren der Sprecherinnen bieten einen dünnen Ansatz zu gleichen Meinungen über Frauen, ein Thema, das Rechsteiner jedoch immer zurückweist, wenn es ihm unverstellt entgegentritt.
Über den Beruf fragen sie sich nicht in einer Weise aus, die über Allgemeinheiten hinausginge, also nur, haben Sie wieder streng, oder im Moment geht es bei uns auch sommerlich zu. Rechsteiner weiß nicht einmal genau, was Starck macht. Aber wenn sich die beiden zum Beispiel beim Eintritt ins Restaurant treffen und Rechsteiner noch am Kleiderhaken steht, nimmt er ihm bisweilen den Mantel ab, wobei er etwa mit einer Hand seinen Ellbogen streift, oder er hält ihm rasch die Hand auf die Schulter, zur Begrüßung. Rechsteiner hat allerdings das Gefühl, es sei einen Augenblick zu lang. Trotzdem hat er aufgehört, sich wirklich gegen die Zudringlichkeit von Starck zu wehren, und das ist wahrscheinlich sein Fehler.
Starck genügt es nämlich nicht, dass er im gleichen Haus wohnt und im gleichen Quartier arbeitet wie Rechsteiner. Er wird zuerst versuchen, im gleichen Haus wie Rechsteiner zu arbeiten, und dann wird er versuchen, in
der gleichen Firma Arbeit zu bekommen. Er wird die erste Gelegenheit benützen, um im Hochhaus höher hinauf zu ziehen, er wird zu Rechsteiner sagen, hier oben sei die Aussicht viel schöner, wenn er in den vierzehnten Stock umgezogen ist, und wenn er einmal im fünfzehnten Stock wohnt, direkt gegenüber von Rechsteiner, wird er öfters herüberkommen und fragen, ob er sich etwas Salz ausleihen könne oder einen Würfelzucker oder ein Teesieb, und Rechsteiner, der den Moment verpasst hat, Starck eine deutliche Absage zu geben, wie das bei der Stelle mit der Milch noch möglich gewesen wäre, Rechsteiner wird sich nicht wehren können, wird nicht mehr sagen können, er gebe ihm kein Salz oder keinen Würfelzucker oder kein Teesieb, er wird immer ja sagen müssen, er wird immer einverstanden sein müssen, wenn sich der andere an seinen Tisch setzt, er wird immer sagen müssen, ja, heute ist es nicht mehr so warm, wenn der andere sagt, heute ist es nicht mehr so warm, er wird, wenn ihm der andere in den Mantel hilft, nicht mehr sagen können, fassen Sie mich nicht an, er wird, wenn ihm Starck eines Tages mit dem Vorschlag kommt, sie könnten sich eigentlich du sagen, nicht sagen können, nein, er möchte lieber beim Sie bleiben.
Oder dann müsste er ihn einmal zusammenschlagen.
Jetzt öffne ich die Augen wieder, und die beiden Männer sind verschwunden.
Das Strafporto
Eine Geschichte aus dem Wallis
W äre es nicht möglich, dass der Postverwalter eines kleineren Ortes, z. B. von Grengiols, einmal ein Strafporto für eine Ansichtskarte aus der Mongolei einziehen müsste? Auf dieser Ansichtskarte, die an den Lehrer des Ortes gerichtet wäre und auf der herzliche Grüße von einem Fred stünden, wäre von
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