Der Gejagte
fuhr auf dem
Absatz herum, um La Valette aus weit aufgerissenen Augen anzustarren. Der Ordensmeister begegnete seinem Blick jedoch ebenso
kühl und teilnahmslos, wie er gerade Andrej angesehen hatte, und
statt etwas zu sagen, trat er an ihnen vorbei an die Brustwehr heran.
»Habt Ihr mich nicht verstanden?«, fragte Starkey.
Andrej war fast sicher, dass nun der Augenblick gekommen war, in
dem sich Romegas offen widersetzen würde. Dann aber senkte der
Ritter mit versteinertem Gesicht den Blick, entfernte sich rückwärts
gehend zwei Schritte und wandte sich dann mit einer abrupten, befehlenden Geste an Julia. Die junge Frau wirkte völlig verstört, doch
dann signalisierte ihr Abu Dun seine Zustimmung, und sie wandte
sich gehorsam um und verließ, begleitet von Romegas und zwei seiner Männer, den Wehrgang auf dem gleichen Weg, auf dem sie gekommen war.
Andrej blickte ihnen kopfschüttelnd nach. »Manchmal glaube ich,
dass wir uns ähnlicher sind, als ich bisher wusste, Sir Oliver«, sagte
er. Starkey blickte ihn fragend an, und Andrej lächelte knapp. »Manche behaupten, ich wäre ein Meister darin, mir Feinde zu machen«,
sagte er. »Aber mir scheint, von Euch kann ich noch etwas lernen.«
»Vielleicht sogar mehr, als Ihr ahnt, mein Freund«, antwortete
Starkey. Dann erlosch sein Lächeln übergangslos. »Was habt Ihr
herausgefunden?«
»Nichts«, antwortete Andrej. Starkey zog fragend die linke Augenbraue hoch und wirkte plötzlich misstrauisch. Andrej fuhr mit einem
bekräftigenden Kopfschütteln fort: »Wenn sich der Attentäter überhaupt noch auf der Insel befindet, so ganz bestimmt nicht hier in der
Stadt. Wir hätten ihn gefunden.«
Das war nicht die Antwort, die Starkey hatte hören wollen. Sein
Gesicht verdüsterte sich weiter, doch zu Andrejs Überraschung verzichtete er darauf nachzuhaken, sondern bedachte Abu Dun und ihn
nur mit einem sonderbaren Blick und ging dann mit schnellen Schritten zu La Valette hinüber.
»Wovon hat er gesprochen?«, erkundigte sich Abu Dun.
»Von einem gemeinsamen Freund«, antwortete Andrej. »Wir sind
ihm bereits begegnet. In La Valettes Privatgemächern. Erinnerst du
dich?«
»Der Dämon?«, entfuhr es Abu Dun.
Andrej signalisierte ihm mit einem ärgerlichen Blick, leiser zu reden. Starkey und der Großmeister waren weit genug entfernt, doch
zumindest zwei Männer ihrer Leibwache standen in unmittelbarer
Nähe und blickten Abu Dun nun gleichermaßen erschrocken und
alarmiert an. Bevor er weitersprach, entfernte sich Andrej einige
Schritte und wechselte, ohne sich dessen selbst bewusst zu sein, ins
Arabische, Abu Duns Muttersprache, die auch er fließend beherrschte. Rasch berichtete er Abu Dun von dem grausigen Fund, den Romegas vor La Valettes Tür gemacht hatte, und dem, was er seiner
Meinung nach bedeutete.
»Und du bist sicher, dass du mich wegschicken willst?«, erkundigte
sich Abu Dun besorgt. »Wir wissen beide, wozu dieser Mann fähig
ist. Du bist ihm allein nicht gewachsen.«
»Ich bin nicht allein«, antwortete Andrej. »Chevalier de Romegas
und seine besten Soldaten passen auf mich auf, aber es freut mich,
dass du dir Sorgen um mich machst - auch wenn sie überflüssig
sind.«
Sein Spott prallte von Abu Dun ab, ohne dass er ihn auch nur bemerkte. »Du hast mir geraten, die Insel zu verlassen, erinnerst du
dich?«, fragte er. »Jetzt gebe ich dir denselben Rat. Lass uns Pedro
befreien, und dann stehlen wir ein Boot und verschwinden. Sollen
sich all diese Narren im Streit um diesen öden Felsbrocken doch gegenseitig die Schädel einschlagen. Was geht’s uns an?«
»Nichts«, antwortete Andrej, und das entsprach in diesem Moment
tatsächlich dem, was er empfand. Er war den Johannitern zu Dank
verpflichtet, aber dieser Dank kannte Grenzen, und wenn er es recht
bedachte, hatte er seine Schuld schon mehr als einmal abgegolten.
Dennoch schüttelte er den Kopf. »Willst du das wirklich, Abu Dun?
Er wird uns folgen, ganz egal, wie weit wir vor ihm davonlaufen.
Und er wird uns finden. Hast du den armen Jungen am Strand vergessen? Willst du wirklich, dass noch mehr Unschuldige sterben, nur
weil ich nicht bereit bin, mich einem Kampf zu stellen, dem ich am
Ende doch nicht entkommen kann?«
»Das hier ist nicht unser Krieg«, erwiderte Abu Dun erregt. »All
diese Menschen werden so oder so sterben, ob wir vorher noch ein
paar Männer des Sultans niedermetzeln oder nicht. Oder bildest du
dir ernsthaft ein, wir beide allein könnten es mit
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