Der Gejagte
auf der anderen Seite der Hügel zusammenzog,
standhalten zu können?
Obendrein waren die beiden ummauerten Städte auf den vorspringenden Landzungen, die die Werftbucht umgaben, auch noch von
den umliegenden - und sich im Besitz der Türken befindlichen - Hügeln nahezu vollkommen einsehbar, sodass dem Feind nicht einmal
die kleinste Bewegung innerhalb der überfüllten Stadtmauern entgehen dürfte. Kurz gesagt: Ihre Lage war aussichtslos.
»Du siehst aus, als würdest du dir Sorgen machen, Hexenmeister«,
sagte eine Stimme hinter ihm.
Andrej fuhr herum und blickte erschrocken in Abu Duns Gesicht.
Er war so sehr in seine Gedanken vertieft gewesen, dass er die Annäherung des Nubiers nicht bemerkt hatte; eine Nachlässigkeit, die ihm
weit mehr zusetzte, als er sich eingestehen mochte.
»Nenn mich nicht so«, sagte er automatisch.
Abu Dun lachte leise und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Keine Sorge, Hexenmeister«, antwortete er grinsend und
selbstverständlich noch lauter als das erste Mal, »es ist niemand da,
der uns hören könnte.«
Das war die Wahrheit. Andrej sah rasch nach rechts und links und
stellte fest, dass Abu Dun und er tatsächlich vollkommen allein auf
diesem Abschnitt der fünfzehn Fuß hohen Wehrmauer waren - eine
weitere Nachlässigkeit, die ihm in Anbetracht der Situation geradezu
unglaublich erschien, auch wenn dies ganz und gar nicht seine
Schuld war. Genau genommen hatte er mit der Verteidigung der
Stadt nichts zu tun.
Gemäß Starkeys Weisung waren Romegas und er dem engsten Stab
des Großmeisters zugeteilt worden, was ihnen ganz offiziell das
Recht gab, sich überall in der Stadt und im Fort frei zu bewegen,
hinter jede Tür zu blicken, jede Frage zu stellen und jeden noch so
unsinnig erscheinenden Befehl zu erteilen, ohne dass es jemand gewagt hätte, ihn anzuzweifeln. Genutzt hatte es nichts. Andrej war
sicher, dass es mittlerweile auf der ganzen Insel kein Haus gab, in
dem er nicht gewesen war, kein Zimmer, das er nicht durchsucht,
keine Truhe, in die er nicht einen Blick geworfen hätte. Sie hatten
eine Menge interessanter Dinge in Erfahrung gebracht, doch von
dem, den sie eigentlich suchten, hatten sie nicht einmal eine Spur
gefunden. Wenn der Dämon tatsächlich noch da war, musste er über
die Fähigkeit verfügen, sich unsichtbar zu machen. Noch vor ein paar
Tagen hätte Andrej über den bloßen Gedanken gelacht, jetzt aber
jagte er ihm einen kalten Schauer über den Rücken. Er begann seinem Feind mittlerweile buchstäblich alles zuzutrauen.
»Hübsch siehst du aus, Hexenmeister«, sagte Abu Dun, nachdem er
eine Weile schweigend neben ihm gestanden und offenbar vergeblich
darauf gewartet hatte, dass Andrej von sich aus etwas sagte. »Zumindest hübsch bunt.«
Andrej schwieg wohlweislich. Abu Dun hatte Recht, auch er selbst
fühlte sich alles andere als wohl. Er kam sich vor wie ein herausgeputzter Papagei. Außerdem schwitzte er unter dem Halbharnisch, den
er angelegt hatte, erbärmlich.
Es war ein prächtiges, reich geschmücktes Stück aus einer Mailänder Werkstatt, das ihn ein kleines Vermögen gekostet hatte und aus
einer schimmernden Brustplatte mit Mittelrippe, in die ein geschickter Graveur das Wappen der Johanniter gestochen hatte, einem Rückenstück sowie lamellierten Arm- und Beinpanzern, die bis zu den
Ellbogen beziehungsweise den Knien hinabreichten, bestand. Darunter trug er schreiend buntes, gepolstertes Unterzeug. Dazu kamen
noch enge und ebenfalls mit Metall verstärkte Stiefel, und, um das
Maß voll zu machen, der schwere Ordensmantel mit dem weißen
Kreuz der Johanniter um die Schultern und selbstverständlich der
Morion, ein hoch gewölbter Helm mit breitem Metallkamm und einer hinten wie vorn spitz zulaufenden Krempe.
Gegen die meisten Klingen, Waffen und selbst Hakenbüchsen und
leichte Musketen würde ihm die schwere Rüstung zuverlässigen
Schutz gewähren - vor der Hitze eines erbarmungslosen Mainachmittags schützte sie nicht. Sein gepolstertes Unterzeug war längst
durchgeschwitzt und fühlte sich an wie ein mit Wasser gefüllter
Sack, der an seiner Haut klebte. Andrejs Erschöpfung wuchs stetig,
obwohl er seit einer guten Stunde nichts anderes tat, als reglos an den
Zinnen der Bastion zu lehnen.
»Was tust du überhaupt hier?«, fragte er in verärgertem Ton. »Solltest du nicht in den Bergen bei Julia sein?«
»Ich sollte bei Julia sein«, bestätigte Abu Dun. Dann runzelte er die
Stirn und für einen Moment
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