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Der Gejagte

Der Gejagte

Titel: Der Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Unrecht tue?«
Abu Dun schien auf Streit aus zu sein. Andrej verstand den Grund
nicht, doch er wusste ja auch nicht, was in den letzten Stunden möglicherweise noch geschehen war.
»Sir Oliver hat mir einen Vorschlag gemacht«, sagte er geradeheraus.
»Lass mich raten«, entgegnete Abu Dun höhnisch. »Er hat versprochen, Pedro jeden Tag einen Finger abzuschneiden, bis wir den Angreifer gestellt haben.«
»Ich muss unbedingt allein mit dir reden«, sagte Andrej. An Julia
gewandt und mit einem um Verzeihung bittenden Gesichtsausdruck
fügte er hinzu: »Es ist nicht so, dass ich Euch nicht traue. Aber was
wir zu besprechen haben…«
»Schon gut«, unterbrach ihn Julia. Mit einer anmutigen Bewegung
befreite sie sich aus Abu Duns als schützende Geste getarnter Umarmung und machte einen Schritt zur Seite, um ins Haus zurückzugehen.
Genau dort, wo sie nur einen halben Atemzug zuvor noch gestanden hatte, stürzte ein riesiger, geflügelter Schatten vom Himmel.
Stahl blitzte auf und schlug Funken auf dem Straßenpflaster. Julia
schrie und Abu Dun fuhr mit einem wütenden Knurren herum und
beging einen Fehler, der jeden anderen an seiner Stelle das Leben
gekostet hätte, indem er versuchte, seinen Säbel zu ziehen. Bevor
seine Hand die Waffe auch nur erreicht hatte, zuckte derselbe Stahl,
der Julia um Haaresbreite verfehlt hatte, nach oben und fuhr tief in
seine Brust. Abu Dun warf die Arme in die Höhe und taumelte mit
einem gurgelnden Schmerzlaut zurück. Endlich überwand auch Andrej seine Überraschung und reagierte blindlings und ohne nachzudenken. Er warf sich einfach nach vorne und rammte dem Angreifer
mit aller Gewalt die Schulter in die Seite.
Nicht einmal einem gewöhnlichen Menschen hätte er damit nennenswerten Schaden zugefügt; der Dämon spürte den Schlag vermutlich nicht einmal. Dennoch war die Wucht von Andrejs Ansturm so
groß, dass sein Gegner zwei Schritte zurücktaumelte und dabei seine
Waffe aus Abu Duns Brust riss. Eine blutige Fontäne sprudelte aus
dem schwarzen Gewand des Nubiers heraus. Noch während der Angreifer mit wild rudernden Armen um sein Gleichgewicht kämpfte
und sich zugleich zu Andrej umzudrehen versuchte, brach Abu Dun
in die Knie, stürzte nach vorn und fing sich mit dem linken Arm ab.
Mit der anderen Hand zog er den Säbel aus seinem Gürtel.
»Julia! Lauf!«, schrie Andrej. Gleichzeitig riss auch er seine Waffe
heraus und tat das Einzige, was ihm einfiel: Er deckte die unheimliche Gestalt mit einem Hagel wüster Hiebe ein, die diese zwar nicht
ernsthaft in Gefahr brachten, sie aber erneut zurückstolpern und fast
die Balance verlieren ließen.
Doch das ging nicht lange gut. Andrejs Klinge sauste zum vierten
oder fünften Mal herab und schlug Funken aus der bizarr gebogenen
Waffe des anderen, als das unheimliche Geschöpf endlich seine Überraschung überwunden hatte, den letzten Hieb dergestalt parierte,
dass Andrej um ein Haar das Schwert aus der Hand geschlagen worden wäre, und mit einer blitzartigen Bewegung nachsetzte. Seine
Klinge schien sich um die Andrejs herumzuschlingen, als sei der
Stahl übergangslos geschmeidig wie eine Peitschenschnur geworden,
riss dessen Unterarm vom Handgelenk bis zum Ellbogen auf und
fügte ihm im Hinaufschnellen einen zwar nicht gefährlichen, aber
äußerst schmerzhaften und heftig blutenden Schnitt im Gesicht zu.
Andrej taumelte zurück. Jetzt war er es, der sich in die Defensive
gedrängt sah. So wie seinem Gegner zuvor, gelang es auch ihm irgendwie, die immer schneller und härter kommenden Schläge abzuwehren, sodass er kein weiteres Mal getroffen wurde, doch er spürte,
wie rasch seine Kräfte erlahmten.
Wenn auch die Wunden, die ihm der Dämon zugefügt hatte, bereits
wieder aufhörten zu bluten und der Blutverlust und das damit einhergehende Nachlassen seiner Kraft noch nicht bedrohlich waren, wusste er doch, dass er sich nicht viele solcher Verletzungen leisten konnte.
Zu seiner Erleichterung hatte er mittlerweile festgestellt, dass sein
erster Eindruck getäuscht hatte. Schatten, die Schnelligkeit der Bewegung und seine eigene Furcht hatten ihm zunächst tatsächlich vorgegaukelt, einer riesigen Fledermaus gegenüberzustehen, doch ihr
Gegner hatte menschliche Gestalt. Er war auch nicht vom Himmel
gestürzt, sondern vom Dach eines der umliegenden Häuser gesprungen, wobei sich sein Mantel so gebauscht hatte, dass der Eindruck
eines riesigen schwarzen Flügelpaares entstanden war. Darüber hinaus war

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