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Der Gejagte

Der Gejagte

Titel: Der Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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um.
Sie befanden sich im Vorhof einer verfallenen Basilika, die zwar
mitten in der Stadt liegen mochte, aber den Eindruck machte, als sei
sie seit Menschengedenken verlassen. Etliche der riesigen Säulen,
die das Dach stützten, waren zerborsten. Unkraut und ungehindert
wucherndes Buschwerk hatten längst angefangen, das Terrain zurückzuerobern, das ihnen der Mensch abgetrotzt hatte.
»Was war denn das?«, fuhr ihn Abu Dun an. »Seit wann laufen wir
davon?«
Im ersten Moment verstand Andrej nicht, was Abu Dun meinte.
Dann breitete sich ein Ausdruck der Fassungslosigkeit auf seinem
Gesicht aus. »Vielleicht, seit ich zu dem Entschluss gekommen bin,
noch ein bisschen länger leben zu wollen«, antwortete er. »Möchtest
du dich mit der gesamten türkischen Armee anlegen?« Er machte
eine auffordernde Geste. »Nur zu! Ich glaube, sie läuft gerade draußen zusammen und sucht nach uns.«
»Was nicht geschehen wäre, wenn du auf mich gehört hättest«,
knurrte Abu Dun.
Mit dieser Bemerkung hatte der Nubier Recht, sie kam aber zum
denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Abu Dun hatte schon beim Anblick
der Flotte argumentiert, dass sie mehr als genug gesehen hätten und
sich lieber auf den Rückweg machen sollten, solange sie es noch
konnten. Es war zweifellos ein Fehler gewesen, nicht auf ihn zu hören, aber es nutzte nichts, über begangene Fehler zu jammern.
Für einen kurzen Augenblick befanden sie sich in Sicherheit, aber
das konnte nicht lange währen. Die Soldaten mussten längst zur Verfolgung ausgeströmt sein, und draußen auf der Straße hatten unzählige Menschen gesehen, durch welches Tor sie geritten waren. In Kürze würde es dort von Verfolgern nur so wimmeln. Abu Dun würde
seinen Kampf bekommen. Eher, als ihm lieb war.
Andrej sah sich gehetzt um. Er spielte mit dem Gedanken, die zusammengesunkene Mauer zu seiner Rechten als Leiter zu benutzen,
um auf das Dach und von dort aus auf eines der benachbarten Gebäude zu gelangen, verwarf diese Idee aber sofort wieder. Von den
höher gelegenen Mauern und Türmen der Hagia Sophia aus wären
sie dort oben leicht zu entdecken. Und sie durften sich auf keinen
Kampf einlassen. Sie brauchten ein Versteck!
Hastig setzte er sich in Bewegung, kletterte über einen Schuttberg
hinweg und erblickte eine offen stehende Tür, die in das Dunkel der
verlassenen Basilika hineinführte. Abu Dun wie ein willenloses Kind
hinter sich herzerrend, stürmte er hindurch und prallte schmerzhaft
gegen eine Wand. Nachdem sich seine Augen an das Halbdunkel
gewöhnt hatten, erkannte Andrej, dass sie vom Regen in die Traufe
geraten waren. Im blassen Dämmerlicht sah man deutlich die Fußabdrücke, die sie in der fingerdicken Staubschicht auf dem Boden
hinterlassen hatten!
Aber es war zu spät, um umzukehren. Der Hof hinter ihnen füllte
sich mit schweren, stampfenden Schritten, die von einem Chor aufgeregt durcheinander rufender Stimmen und dem Klirren von Metall
begleitet wurden. Ihre Verfolger waren da.
Andrej wandte sich nach rechts, zerrte Abu Dun weiter mit sich und
stürmte so schnell durch den staubbedeckten Gang, wie er es in der
herrschenden Dunkelheit wagte. Sie erreichten eine Kreuzung, wandten sich aufs Geratewohl nach links und erblickten eine Treppe, die
in noch tiefere Finsternis hinabführte. Sie rasten, immer zwei Stufen
auf einmal nehmend, hinunter, wobei Andrejs verletztes Bein mit
grellen Schmerzen, die in immer rascherer Folge durch seinen Körper pulsierten, protestierte. Er ignorierte die Pein und bemühte sich,
noch schneller zu laufen.
Als er daraufhin das Gleichgewicht verlor, ließ er notgedrungen
Abu Duns Hand los und stürzte, sich immer wieder überschlagend,
kopfüber die Treppe hinab. Er hörte Abu Duns erschrockenen Aufschrei und hatte gerade noch Zeit, daran zu denken, dass ihre Verfolger nun endgültig wussten, wo sie nach ihnen suchen mussten, falls
sie die Fußspuren im Staub bisher übersehen haben sollten. Dann
prallte er mit fürchterlicher Wucht gegen ein Hindernis. Für einen
Moment versank die Welt in einem schwarzen Strudel, der sich auf
dem Grund seiner Gedanken auftat. Alles wurde unwirklich und
leicht.
Wie durch ein Wunder verlor er nicht das Bewusstsein. Nachdem er
die Augen geschlossen und in sich hineingelauscht hatte, stellte er
fest, dass ein zweites, beinahe noch größeres Wunder geschehen war:
Er hatte sich keine nennenswerte Verletzung zugezogen. Ihm tat alles
weh, aber er konnte sich bewegen und spürte,

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