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Der gekreuzigte Teufel

Der gekreuzigte Teufel

Titel: Der gekreuzigte Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong'o
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peccata mundi …
    Dann sagte er weiter, man solle tun, wie Jesus befohlen habe:

    Nehmet, esset; das ist mein Leib.
    Solches tut zu meinem Gedächtnis bis ich wiederkomme.
    Corpus Christi. Amen.
    Und derselbe Priester gab dir dann roten Wein, und er sagte, man solle ihn trinken, wie Jesus einst befohlen habe:

    Trinket alle daraus, das ist mein Blut.
    Solches tut zu meinem Gedächtnis bis ich wiederkomme.
    Dominus vobiscum ,
    Per omnia saecula saeculorum.
    Amen.

    Wariinga: Das ist ein religiöser Brauch … dabei frißt man sich doch nicht gegenseitig auf … Das Sakrament ist ein Symbol für das Passahfest.
    Stimme: Was ist das Passahfest?
    Wariinga: Ich weiß es nicht … Es ist eben einer der feierlichen Bräuche der christlichen Kirche.
    Stimme: Wie dem auch sei … die Kimeendeeri-Klasse tut nichts anderes, als den zentralen Symbolismus der christlichen Religion in ihrem Handeln zu verwirklichen … Die Kimeendeeris sind die wahren Nachfolger Christi …
    Wariinga: Aber es ist nicht dasselbe …
    Stimme: Warum nicht? Behauptet denn nicht eben diese Religion, daß der Sklave nie seinem Herrn gleich sein darf? Ist es nicht eben diese Religion, die den Unterdrückten sagt, sie dürften das Gesetz Auge um Auge, Zahn um Zahn nicht anwenden?
    Wariinga: Auge um Auge, Zahn um Zahn? Wo käme die Welt hin mit soviel Gewalt?
    Stimme: Oh, man spricht nur von Gewaltanwendung, wenn ein armer Mann sein Auge oder seinen Zahn zurückverlangt. Aber was ist, wenn die Kimeendeeris dem armen Mann mit Stöcken die Augen ausstechen oder ihm mit Peitschen das Fleisch zerreißen? Was ist, wenn sie einem Arbeiter mit dem Gewehrkolben die Zähne einschlagen? Ist das keine Gewalt? Deshalb werden die Kimeendeeris, die Gitutus und die Nguunjis weiterhin und für alle Zeiten auf Kosten von Millionen Menschen leben. Und jede Woche geht ihr Leute treu zur Kirche oder in die Moschee und hört dort auf den Katechismus der Sklaverei:

    Ich aber sage euch,
    daß ihr nicht widerstreben sollt dem Übel;
    sondern, wenn dir jemand einen Streich
    gibt auf deine rechte Backe,
    dem biete die andere auch dar.
    Und wenn jemand mit dir rechten will
    und deinen Rock nehmen,
    dem laß auch den Mantel.
    Schau doch einmal dein eigenes Leben an! Als dir der Reiche Alte Mann aus Ngorika deinen Körper stahl, was hast du da getan? Du hast gesagt, du würdest nicht kämpfen, du sagtest, daer deinen Körper genommen habe, könne er jetzt auch noch dein Leben haben …
    Wariinga: Was hätte ich sonst tun sollen?
    Stimme: Dein Auge und deinen Zahn zurückverlangen!
    Wariinga: Ich bin eine Frau. Ich bin schwach. Damals wußte ich nicht weiter, es gab keinen Ort, wohin ich mich hätte wenden können, und niemand, bei dem ich hätte Hilfe finden können.
    Stimme: Was hattest du denn erwartet? Daß die Männer, die dich ausgenutzt haben, kommen würden, um dich aus der Sklaverei zu führen, die sie selbst dir auferlegt hatten? Dein Problem, Wariinga, ist, daß du kein Vertrauen zu dir selbst hast. Du hast noch nie gewußt, wer du eigentlich bist! Dein einziger Wunsch war nur gewesen, als zarte Blüte das Leben von Leuten wie Boss Kihara zu dekorieren. Wariinga … Jacinta Wariinga, besinne dich auf dich selbst. Schau dich wieder einmal genau an. Dein Körper ist jung. Alle Freuden des Lebens liegen vor dir. Hättest du nicht dauernd deine Haare mit heißen Kämmen und deine Haut mit Hautaufhellern wie Ambi verbrannt - tausendundzwei Herzen wären deiner makellosen Schönheit zugeflogen. Die Schwärze deiner Haut ist zarter und weicher als das kostbarste duftende Öl, deine dunklen Augen leuchten heller als der hellste Stern in der Nacht, deine Wangen gleichen zwei Früchten, reifer als die Brombeere, und dein Haar ist so schwarz und weich und seidig, daß alle Männer in seiner Kühle Schutz vor der heißen Sonne suchen möchten.
    Und nun füge der Macht deiner Jugend und deiner Schönheit noch die Macht des Reichtums hinzu, und dein Herz wird alle Leiden der Armut los sein; Männer werden vor dir knien und deinen Körper anbeten - einige werden sich damit zufrieden geben, die Erde zu berühren, wo deine Füße gegangen sind, während andere am Wege stehen und hoffen, dein Schatten werde sie im Vorübergehen streifen.
    Wariinga: Also, was soll ich tun?
    Stimme: Komm, komm mit. Folge mir, und ich werde dich auf die hohen Berge von Ilmorog führen und dir alle Herrlichkeiten dieser Welt zeigen. Ich werde dir Paläste zeigen, die von Blumenhecken in allen Farben des

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