Der gekreuzigte Teufel
wäre zu so etwas nicht fähig? Du brauchst nicht so überrascht und verwundert zu sein. Mwaura hat schon oft solche Aufträge erledigt. Während des Ausnahmezustandes hat er damit begonnen. In jenen Tagen gehörte er zu den Homeguards , und er war sehr grausam. Er arbeitete in dem Mordkommando, das der Europäer anführte, dem man den Namen Nyangwicu gegeben hatte und der damals die Leute im Rift Valley terrorisierte. Aber ehe Mwaura zu Nyangwicu stieß, hatte er schon in einem anderen Mordkommando unter Kimeendeeri gearbeitet - genau dem Kimeendeeri, der jetzt gerade seine eigenen Tugenden im Rauben und Stehlen preist. Mwaura bekam damals fünf Shilling für jeden Kopf eines Mau Mau-Anhängers. Nachts durchkämmte er die Dörfer. Alte Frauen, Kinder, junge Männer, junge Mädchen, alte Männer - Mwaura machte keine Unterschiede. Schließlich trugen die Mau Mau ja keine Erkennungszeichen. Am nächsten Morgen brachte Mwaura die Köpfe zu Nyangwicu, der ihm seinen Mörderlohn ausbezahlte. Nyangwicu war es auch, der Mwaura den Wagen schenkte, den er jetzt als Matatu benutzt. Und nun überlege mal: Wenn er damals für fünf Shilling morden konnte, warum sollte er es heute nicht können, wo ihm doch Kimeendeeri ein neues Fahrzeug versprochen hat?
Wariinga: Das glaube ich nicht. Ich glaube überhaupt nichts von alledem, was du mir da erzählst. Warum quälst du mich mit solchen Geschichten, die mich wachhalten, wo ich doch so dringend Schlaf brauche? In den letzten vier Nächten habe ich kaum geschlafen!
Stimme: Weil … weil ich dir gerne einen Job beschaffen möchte.
Wariinga: Einen Job? Wo?
Stimme: In Nakuru, genauer gesagt in Ngorika.
Wariinga: Nein, nein! … Hebe dich hinweg von mir, Satan …
3
Starr vor Furcht erwachte Wariinga.
»Hier schläfst du also, und ich bin überall herumgelaufen und habe dich gesucht«, sagte Gatuiria.
Nie war Wariinga glücklicher gewesen als in dem Augenblick, da sie ihre Augen aufschlug und Gatuiria neben sich stehen sah.
»Ich hatte mich an den Baum gelehnt und muß wohl eingeschlafen sein«, sagte sie und gähnte. Sie stand auf, streckte sich und gähnte wieder. Schnell schaute sie sich nach allen Seiten um. »Ich habe in der vergangenen Nacht nicht genug geschlafen … Als ich nach Hause kam, habe ich mich noch lange mit meiner Mutter unterhalten …«
»Es war eine lange Reise gestern abend«, bemerkte Gatuiria, »und Mwauras Matatu kroch wie ein Mistkäfer die Straße entlang.«
Wariinga überlegte, ob sie Gatuiria von ihrem seltsamen Traum erzählen sollte, entschied sich dann aber dagegen; sie sagte sich, ein Traum sei ein Traum und es gäbe wohl niemand, der nicht hin und wieder Alpträume hätte.
»Ist das Fest zu Ende?« fragte Wariinga und versuchte zu lachen, um ihre Ängste zu vertreiben.
»Nein! Aber komm, wir müssen von hier weg!« sagte Gatuiria. »Let's go away!« fügte er in Englisch hinzu. »Das Haus brennt bereits lichterloh.«
»Was sagst du da?« fragte Wariinga.
»In der Höhle herrscht völliges Chaos«, sagte Gatuiria mit schwerer Stimme. »Die Polizei war da.«
»Und wurden die Gitutus und Gatheecas festgenommen?« fragte Wariinga aufgeregt. »Das wäre ja wirklich großartig!«
»Nein …«, erwiderte Gatuiria leise. »Sie haben Wangari festgenommen.«
»Wangari? Sie haben Wangari festgenommen? Aber sie hatte die Polizei doch selbst geholt?«
»Ja, Wangari machte den Fehler, ihr verlorenes Schaf mit Hilfe der Leibwächter jener zu suchen, die es geschlachtet und gegessen haben!« sagte Gatuiria wütend. »Ich habe eben mit angesehen, wie sie ihr Handschellen anlegten und sie in eine grüne Minna warfen …«
»Aber warum denn bloß?« fragte Wariinga bitter.
»Weil sie Gerüchte und Haß verbreitet und Samen des Aufruhrs in einem sonst friedlichen und sicheren Land ausgestreut habe.«
Und plötzlich erinnerte sich Wariinga einiger Worte aus ihrem Traum.
»Friedlich?« fragte Warringa. »Welchen Frieden meinen die eigentlich? Wird denn immer nur dann die öffentliche Ordnunggestört, wenn die Armen ihr Auge oder ihren Zahn zurückverlangen?«
Was Wariinga da sagte, traf Gatuiria mitten ins Herz, und einem reißenden Fluß gleich, der eine schwache Stelle gefunden hat, brach eine Flut von Worten aus ihm hervor:
»Oh, du hättest mit ansehen sollen, wie die Polizei von Ilmorog - Hirten des Friedens, das kann man wohl sagen - eine wehrlose Frau angriffen … Sie kamen mit erhobenen Schlagstöcken, mit den Schilden, mit durchgeladenen
Weitere Kostenlose Bücher