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Der gekreuzigte Teufel

Der gekreuzigte Teufel

Titel: Der gekreuzigte Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong'o
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nicht?
    Wariinga: Die beiden Welten? Nein!
    Stimme: Aber du nimmst doch für dich in Anspruch, gebildet zu sein?
    Wariinga: Du meinst die Cambridge- und die EAACE 16 -Prüfung? Als ich jung war, träumte ich davon, mir alles Wissen der Welt anzueignen. Ich wollte den Berg des Wissens ersteigen, den höchsten, den es auf Erden gibt; ich wollte hinaufsteigen, immerweiter hinauf, bis ich den höchsten Gipfel des Wissens erreicht hätte und die ganze Erde mir zu Füßen läge. Und was ist jetzt, heute? Eine Ausbildung, die nicht einmal einen winzigen Bauch einen Tag lang ernähren kann!
    Stimme: Schulbildung bis zur Cambridge- oder zur EAACE-Prüfung ist immerhin Schulbildung. Verkehrt daran ist das, was gelehrt wird. Es verschließt den Schülern Augen und Ohren, damit sie den Schrei des Volkes weder sehen noch hören können. Wer hören konnte, wird taub. Diese Schulen bringen Menschen hervor, von denen es heißt: Wehe dieser Generation, denn sie haben Augen und können nicht sehen, sie haben Ohren und können nicht hören!
    Denn man hat sie gelehrt, nur eine Welt zu sehen und auf eine Welt zu hören. Was hast du eben gesagt? Es gibt zwei Welten. Die Welt der Räuber und der Beraubten; die Welt der Herren des Diebstahls und die Welt der Opfer des Diebstahls; die Welt der Unterdrücker und der Unterdrückten; die Welt jener, die das verschlingen, was andere geschaffen haben, und die Welt der Schaffenden.
    Wariinga: Wieso kannst du das wiederholen, worüber wir gestern abend in Mwauras Matatu gesprochen haben? Hat Muturi gestern abend nicht genau dasselbe gesagt?
    Stimme: Jene Leute wissen um diese Dinge, denn sie sind schon seit eh und je beraubt worden.
    Wariinga: Muturi beraubt? Was hat man ihm gestohlen? Er gehört nicht zu den Reichen im Lande!
    Stimme: Was habe ich dir eben gesagt? Du hast Ohren, und du kannst nicht hören, du hast Augen und vermagst nicht zu sehen. Deine Schulbildung hat das Unterste nach oben gekehrt, so daß du jetzt meinst, die Wolken seien die Erde und die Erde sei Wolken; Schwarz sei Weiß und Weiß sei Schwarz; Gut sei Böse und Böse sei Gut.
    Du fragst, was man Muturi gestohlen hat. Sind sein Schweiß und sein Blut denn nichts wert? Oder woher stammt nach eurem Wissen der Reichtum der Völker? Aus den Wolken? Aus den Händen der Reichen?
    Jene in der Höhle wissen genau, aus welchen Quellen der Reichtum der Völker fließt. Denn sie wissen, wo sie das Wasser trinken können, das sie nicht geschöpft haben. Sie wissen, wo sie den Fluß stauen müssen, damit er nicht zu denen fließt, die weiterunten wohnen. Sie wissen, wo sie Kanäle zu graben haben, um den Fluß umzuleiten, damit er nur ihre fruchtbaren Felder bewässert.
    Wann immer sie zusammenkommen, nehmen sie deshalb kein Blatt vor den Mund. Die Weisheit, die sie verkünden, lautet: Ich verschlinge dies und du verschlingst das!
    Du glaubst mir nicht? Aber du warst doch selbst in der Höhle! Was glaubst du, reden die jetzt da drin, während wir uns hier unterhalten? Hör zu, und ich werde es dir erzählen, denn es heißt, daß auch die Weisen noch Weisheit lernen können. Jetzt in diesem Augenblick, wo wir uns hier unterhalten, steht Kimeendeeri wa Kanyuanjii auf dem Podium. Du hättest drin sein sollen, um diesen Kimeendeeri wa Kanyuanjii zu erleben. Sein Mund gleicht dem Schnabel des rotschnäbeligen Zeckenfressers. Seine Wangen sind so weich wie die eines neugeborenen Babys. Seine Beine sind riesig dick und gerade wie ein mächtiger Bananenbaum oder wie die Beine von jemand, der an Elephantiasis leidet. Aber seine Elephantiasis ist nichts anderes als Fettleibigkeit, die vom zu vielen Essen kommt. Sein Hals besteht aus mehreren Fettwülsten und gleicht einer haarigen Raupe. Und diese erstaunliche Erscheinung aus Hals und Beinen ist von oben bis unten mit einem völlig weißen Anzug mit Fliege bedeckt.
    Während des Ausnahmezustandes hatte man ihm den Namen Kimeendeeri gegeben, weil er eine besondere Art hatte, die Arbeiter und Bauern umzubringen. Damals war Kimeendeeri Distriktsbeamter. Männer und Frauen mußten sich in einer Reihe flach auf den Boden legen, und dann fuhr er mit seinem Landrover über die Körper. Nach der Unabhängigkeit kletterte Kimeendeeri schnell die Karriereleiter nach oben und wurde beamteter Staatssekretär. Von da an begann er mit ausländischen Firmen zusammenzuarbeiten, vor allem mit Firmen im Finanzsektor. Heute besitzt er unzählige Farmen. Ebenso zahlreich sind seine Export-Import-Firmen. Er bedient

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