Der gekreuzigte Teufel
wir Geschäftsleute Gott und den Teufel gegeneinander aus. Wir möchten keinen von beiden verärgern. Wir beten beide an.«
»Du sprichst wie ein Wanderer, der sich verirrt hat. Hast du noch nie gehört, daß es heißt: Niemand kann zwei Herren dienen? Selbst der Wähler gibt seine Stimme schließlich nur einem Politiker.«
»Ein Geschäftsmann hat viele Herren. Und er muß ihnen allen gehorchen. Wenn dieser mich ruft, gehe ich zu ihm, und wenn jener ruft, folge ich auch ihm.«
Sie schwiegen beide. Mwaura fuhr vorsichtig, denn er fürchtete die Kurven und Windungen der Straße. Tankwagen und schwere Lastwagen mit Anhängern benutzten die vielbefahrene Straße für den Transport von Holzkohle, Kartoffeln und Gemüse. Sie hatten eben die Stelle passiert, an der die Straße zur Missionsstation Kijabe abzweigt, und kamen an der kleinen Kirche vorbei, die von den italienischen Kriegsgefangenen während des Zweiten Weltkriegs erbaut worden war. Nun führte sie die Straße in die Talsohle des Rift Valley.
Muturi bedrängte Mwaura mit einer weiteren Frage: »Glaubst du denn an gar nichts? Gibt es nichts, wovon dein Herz sagt, es sei gut oder böse?«
Mwaura schwieg zuerst, als habe er die Frage nicht richtig verstanden. Habe ich hier einen religiösen Fanatiker im Wagen, einen ›Jesus-ist-mein-Retter‹ Typ? fragte er sich. Auch die anderen Fahrgäste warteten schweigend auf Mwauras Antwort, denn auch sie bewegten Muturis Frage in ihren Herzen — woran glaubst du?
Mwaura war sich der Ungeduld bewußt, mit der seine Antwort erwartet wurde. Er räusperte sich: »Ihr habt mich gefragt, an was ich glaube, oder nicht? Es ist schwierig, die Angelegenheiten des Herzens zu ergründen. 7 Die Herzen der Menschen sind nichtfüreinander offen wie Maulwurfslöcher. Die Angelegenheiten des Herzens sind wie ein undurchdringlicher Wald, der für niemand zugänglich ist. Zuerst muß man sich einmal fragen: Was ist ein Herz? Wo lebt es? Ist das Herz eine Materie aus Fleisch, oder ist es nur ein Atem? Als ich noch ein kleines Kind war, erzählte mir meine Großmutter einmal die Geschichte von einem kranken Löwen, der wieder gesund wurde, nachdem er das Herz eines Esels gefressen hatte. Eine große Traurigkeit überkam mich damals. Ich fragte . meine Großmutter: ›Was wird dieser Esel tun, wenn Jesus wiederkommt und die Toten auf erweckt?‹ Meine Großmutter jedoch sagte zu mir: ›Erspare mir dein Geschwätz, denn Tiere werden nicht von den Toten auferweckt werden!‹
Zu einem Haus, das man einmal verlassen hat, kehrt man immer wieder zurück. Ich kam auf genau diese Frage, die ich als Kind einmal stellte, erst kürzlich wieder zurück, als ich in der Zeitung Taifaleo las, daß es heutzutage möglich sei, einem Menschen ein Herz wegzunehmen, um es einem anderen Menschen einzupflanzen. Damit stellt sich folgende Frage: Bleibt dieser Mensch derselbe, der er vorher war, oder wird aus ihm ein neuer Mensch, nun, da er ein neues Herz hat? Was werden die beiden Menschen am Tag der Auferstehung tun, wenn jeder Körper sein eigenes Herz sucht? Und nun stellt euch das Herz vor, das zwei Körpern diente. Nehmen wir an, das Herz war rechtschaffen, gehorsam, rein. Was wird die beiden Körper davon abhalten können, sich darum zu streiten?
Ich habe viele Zweifel — wenn ein Herz vom einen in den anderen Körper verpflanzt wird, nimmt es dann die Rechtschaffenheit oder auch die Bosheit des ersten Körpers mit, oder übernimmt es den Aussatz des neuen Körpers?
Jetzt denkt euch mal ein Land mit reichen und mit armen Menschen. Ein reicher Mann führt ein schlechtes und böses Leben; fühlt er nun seinen Tod herannahen, begibt er sich in ein Krankenhaus und kauft das Herz eines armen, aber rechtschaffenen Menschen. Der reiche Mann kommt also dank der Rechtschaffenheit des armen Mannes in den Himmel, der Arme kommt in die Hölle aufgrund der Schlechtigkeit des Reichen, oder weil er nun keine Seele mehr besitzt! Ha, ha, ha …!«
Lachend unterbrach Mwaura seinen Monolog. Er lachte und lachte, wie einer, der einen Witz erzählen will und dabei von der Pointe seines Witzes überwältigt wird. Noch immer lachend, nahmer seinen Monolog wieder auf:
»Ich würde gerne ein Geschäft mit Herzen anfangen, einen Markt, auf dem menschliche Herzen feilgeboten werden, einen Laden für menschliche Herzen, einen Supermarkt für menschliche Herzen … ›Laufend Sonderangebote‹ … Wieviel wohl ein Herz wie meines bringen würde?«
Mwaura bog sich vor
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