Der gekreuzigte Teufel
der mich plötzlich erfüllte. War es Mut oderSchmerz? Ich sagte zu dem Richter: ›Schauen Sie mich genau an! Ich bin hier kein Ausländer wie Sie! Ebensowenig bin ich ein Landstreicher, hier in meinem Land. Ich werde in Kenia niemals Ausländer noch Landstreicher sein. Kenia ist unser Land. Wir wurden hier geboren, Gott selbst hat uns dieses Land geschenkt, und mit unserem eigenen Blut erlösten wir es aus der Hand unserer Feinde. Heute sehen Sie in uns nur Menschen in zerschlissenen Kleidern — aber wir, die Bauern und Arbeiter, sind noch dieselben wie zu Zeiten Kimaathis. Schauen Sie mich jetzt noch einmal genau an. Ich bin weder ein Dieb noch Räuber. Wenn Sie wissen wollen, wo die wirklichen Diebe und Räuber sind, dann kommen Sie mit mir, und ich werde Ihnen in Ilmorog ihre Höhlen und Nester zeigen. Geben Sie mir einige Polizisten mit, und dann können wir sofort losgehen und jene Diebe und Räuber festnehmen, die uns ständig das Leben schwer gemacht haben. Ich weiß nicht, wie es in Nairobi oder anderswo ist, aber in Ilmorog, in unserem Ilmorog, versuchen die Diebe und Räuber nicht einmal mehr, sich zu Verstecken.‹ Ich setzte mich.
Der Richter nahm seine Brille ab. Er putzte sie mit einem roten Taschentuch. Dann setzte er sie wieder auf seine sich schälende Nase. Er musterte mich von Neuem, und ich sagte mir: Yes , schau mich nur genau an, wenn dir noch nie die Stimme Wangaris zu Ohren gekommen ist, die Stimme Wangaris, der Bäuerin … Lebten wir noch in jener anderen Zeit, dann würdest du jetzt in die Mündung einer eisernen Röhre schauen, du Teufel. Er forderte mich auf, zu wiederholen, was ich über Diebe und Räuber in Ilmorog gesagt hatte. Ich sagte zu ihm: ›Wirklich und wahrhaftig! Welchen Grund hätte ich, Sie anzulügen? Wem wäre es lieber, Ihnen oder mir, wenn diese Diebe und Räuber zähneknirschend hinter Gittern säßen? Geben Sie mir ein paar Polizisten, und ich werde ihnen zeigen, wo die Diebe hausen.‹
Daraufhin erklärte der Richter, daß mir das Gericht die Gefängnisstrafe erlassen würde, weil ich angeboten hätte, mit der Polizei zusammenzuarbeiten, um im ganzen Land Raub und Diebstahl mit Stumpf und Stiel auszurotten. Ich hätte lediglich ein Bußgeld zu zahlen, weil ich mich ohne Ausweis in Nairobi aufgehalten und daher gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Landstreicherei verstoßen habe.
Ich das nicht unglaublich? Ich bitte euch, überlegt doch mal,was das bedeutet: ein Ausweis, um Nairobi betreten zu dürfen, genau wie in den Tagen des Ausnahmezustandes! Damals hatten unsere europäischen Folterer angeordnet, daß jeder einen Personalausweis bei sich tragen mußte.
Der Richter wies den Polizeichef an, Maßnahmen zu treffen, um alle Diebe und Räuber in Ilmorog festzunehmen. Meine Bereitwilligkeit, mit der Polizei zusammenzuarbeiten, bewahrte mich vor sechs Monaten Gefängnis.
Aus dem Gerichtssaal wurde ich dann zur Polizeistation gebracht. Und, wohlgemerkt, honigsüß spricht man jetzt mit mir! Man macht mir Komplimente, man sagt mir, wenn alle Mitbürger so wären wie ich und Hand in Hand mit der Polizei arbeiteten, sich gegenseitig unterstützend, so wie die Yamswurzel und der Baum, an dem die Pflanze sich hochrankt, dann würden Raub und Diebstahl und ähnliche Verbrechen im ganzen Land ein Ende finden; dann könnten jene, die etwas ihr eigen nennen, sich dessen in Frieden erfreuen und sich beruhigt dem Schlaf überlassen.
Wir kamen überein, daß ich zuerst alleine nach Ilmorog zurückkehren sollte, um genau ausfindig zu machen, wann und wo die Diebe und Räuber in der Regel ihre Zusammenkünfte abhielten. Diese Informationen würde ich dann der Polizeistation in Ilmorog weitergeben. In der Zwischenzeit würden sie ihrerseits den Polizeichef von Ilmorog benachrichtigen, einen gewissen Polizeiinspektor Gakono; sie würden ihm meinen Namen durchgeben, so daß auf meinen Bericht hin sofort gehandelt werden könne.
So sind wir verblieben. Aber nicht einen halben Cent Reisegeld haben sie mir gelassen!
Ich sage euch, mein ganzes Geld — 200 Shilling — hat das Gericht behalten. Und mich ließen sie einfach auf der Straße stehen.
Wo hätte ich heute nacht geschlafen, was hätte ich gegessen, hätte Gottes Wind euch nicht dorthin getrieben, wo ich war?
Wenn heute, an diesem Tag, an dem wir hier zusammen sitzen, einer käme und mich aufforderte, ein Loblied auf das Haraambe des Geldes zu singen, dann würde ich ihm zwei oder drei Dinge sagen, die er nie mehr
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