Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der gelbe Handschuh

Der gelbe Handschuh

Titel: Der gelbe Handschuh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
Vom Netzwerk:
sagte:
    „Entschuldigung, da ist eine Riesenschweinerei passiert.“
    „Entrez, Monsieur“, entgegnete der Museumsdirektor aus Paris, was nun wieder soviel hieß wie „Treten Sie ein, mein Herr“. Er gurgelte noch einmal kurz und zog sich dann einen sehr eleganten Morgenmantel an. „Also, was ist los?“
    „Sie werden gleich aus allen Wolken fallen“, sagte Mister Palmer und klappte die Daily Mail auseinander.
    Keine drei Minuten später stemmten sich die beiden Herren auf dem offenen Sonnendeck gegen den Wind, stapften an den Rettungsbooten vorbei über die nassen Holzplanken und kletterten anschließend die schmale Treppe zur Kommandobrücke hinauf. Mister Palmer paffte dabei aus seiner Pfeife Rauchwolken in die Luft wie eine Lokomotive, die mit überheizten Kesseln über einen Berg gejagt wird.
    „Guten Morgen“, grüßte Kapitän Stahlhut, als die Herren mit zerzausten Haaren zu ihm hereinkamen. Der Wind schlug dabei die Tür hinter ihnen zu.
    Durch die großen Scheiben der Kommandobrücke hatte man einen Blick wie von einem Aussichtsturm.
    Der Horizont lag im Nebel und das Meer war bewegt. Seine Wellen trieben weiße Schaumkronen vor sich her.
    „Es tut uns leid, daß wir Sie auf der Brücke stören müssen“, sagte Mister Palmer, „aber die Angelegenheit ist dringend und gestattet keinen Aufschub.“
    Er holte wieder seine Daily Mail heraus und las vor. Anschließend paffte er aus seiner Pfeife hintereinander drei schnelle Rauchwolken in die Luft und knurrte: „Eine Katastrophe.“
    „Ich kann es einfach nicht begreifen, wie diese Nachricht in die Presse kommt“, jammerte Museumsdirektor Prunelle. „Es war mit allen Stellen absolutes Stillschweigen vereinbart, als ginge es um ein militärisches Geheimnis.“ Er tupfte sich mit dem Taschentuch seine Glatze trocken. „Und jetzt das!“
    Aus einem Funkraum von nebenan summte und klingelte es manchmal. Die drei Offiziere, die noch im Raum waren, gaben halblaute Kommandos über den Maschinen-Telegrafen.
    „Vermutlich irgendwo eine undichte Stelle“, sagte der Kapitän nach einer Weile. Er nahm dabei sein Fernglas vor die Augen. „Eine Panne, die eigentlich nicht vorkommen dürfte.“
    „Jawohl, es ist eine ausgewachsene Katastrophe“, wiederholte Mister Palmer. „Und das Risiko für meine Versicherung hat sich dadurch glatt verzehnfacht.“ Er paffte noch einmal ein paar Rauchwolken in die Luft. „So ein Schiff hat doch einen Fahrplan, der genauso pünktlich funktioniert wie bei der Eisenbahn. Und wer die Daily Mail gelesen hat und aus irgendeinem Grund an dem Gemälde interessiert ist, kann jetzt in aller Seelenruhe nachlesen, in welchem Hafen wir anlegen, wie lange wir ankern, wann und wohin es weitergeht. Es ist gewissermaßen so, als hätten wir an alle Gangster Einladungskarten verschickt.“
    „Aber sind Sie denn so sicher, meine Herren, daß überhaupt jemand hinter diesem Bild her ist?“ fragte Kapitän Stahlhut. Er blickte dabei immer noch durch sein Fernglas zum Meer und in den leichten Sprühregen hinaus. „Dieses Gemälde ist weltbekannt, wie jeder weiß, und wenn es geraubt würde, wäre es doch gar nicht zu verkaufen. Weil man doch genau wüßte, daß es gestohlen ist und in Wirklichkeit dem Pariser Louvre gehört.“
    „Das ist leider ein Irrtum“, erwiderte Monsieur Prunelle höflich. „Es gibt überall in der Welt genug steinreiche Sammler, die für das Bild jeden Preis bezahlen würden. Auch wenn sie wissen, daß es gestohlen ist.“
    „Aber was hätten sie davon?“ wollte Kapitän Stahlhut wissen. „Sie müssen es doch regelrecht verstecken.“
    „Unter diesen Sammlern gibt es seltsame Vögel“, erklärte der Museumsdirektor aus Paris. „Sie würden die Mona Lisa tatsächlich vom Markt verschwinden lassen und das Bild nur ab und zu aus ihrem Safe holen, um es ein paar Stunden lang zu betrachten.“ Monsieur Prunelle zupfte seine Krawatte zurecht . „Daß sie allein vor einem Bild sitzen, daß gestohlen ist und das eigentlich der ganzen Welt gehört, schon das würde ihnen das viele Geld wert sein.“
    „Ich dachte, die Sache läge einfacher“, bemerkte Kapitän Stahlhut.
    „Immer wenn Verrücktheiten ins Spiel kommen, werden die Dinge kompliziert“, meinte Monsieur Prunelle nachdenklich.
    Mister Palmer hatte inzwischen seine Pfeife ausgeklopft und pumpte sich jetzt die Brust mit Luft voll wie ein Maikäfer.
    „Sie wollen bestimmt auch etwas sagen?“ fragte der Kapitän und lächelte ein

Weitere Kostenlose Bücher