Der gelbe Handschuh
wenig.
„Allerdings“, antwortete Mister Palmer. „Im Namen der weltweiten Versicherung Lloyd’s in London, die zu vertreten ich die Ehre habe...“ stellte er fest, und was er sagte, hörte sich an wie die feierliche Erklärung irgendeines Außenministers von einem Parlament, „... muß ich in Anbetracht der erhöhten Gefahr um ganz besondere Schutzmaßnahmen bitten.“ Er räusperte sich. „Ich muß darum sogar dringend ersuchen!“
„Auf dem Ozean gibt es leider keine Polizeistationen“, gab Kapitän Stahlhut zu bedenken. „Außerdem könnte ein Dieb ja nicht allzuweit kommen. Genau einhundert-dreiundachtzig Meter. So lang ist die Strecke vom Kiel bis zum Heck.“
„Noch knappe drei Tage, und wir kommen zum erstenmal in einen Hafen“, sagte Monsieur Prunelle. „Was dann?“
„Ich werde jedenfalls an Bord bleiben“, antwortete Mister Palmer. „Und ich werde die Gangway nicht aus dem Auge lassen.“ Dabei blickte er dem Kapitän mitten ins Gesicht. „Sie können doch wohl persönlich dafür garantieren, daß der Aufbewahrungsort absolut sicher ist?“
„Jetzt werden Sie mir aber komisch!“ lachte der Mann in seiner blauen Uniform. „Wir sind hier nicht die Bank von England und auch nicht Fort Knox. Vielleicht dachten Sie, ein Passagierschiff sei so was Ähnliches wie ein Geldschrank mit Schwimmflossen. Ist es aber nicht, meine Herren.“
„Um so mehr Verständnis werden Sie also dafür haben“, meinte Mister Palmer kühl, „daß ich gern erfahren möchte, wo sich das Bild in diesem Augenblick befindet!“
„Am sichersten Platz, den es auf dem Schiff gibt“, antwortete jetzt anstelle des Kapitäns ein jüngerer Offizier mit drei goldenen Streifen an den Ärmeln. „Ich bin für die Fracht an Bord verantwortlich.“
„Mein Erster Offizier“, stellte Kapitän Stahlhut vor. „Sehr erfreut“, sagten die Herren Palmer und Prunelle.
„Ebenfalls“, erwiderte der braungebrannte junge Offizier und berichtete weiter: „Im gleichen Tresor wird auch unsere Schiffskasse aufbewahrt, und die ist bis heute noch nicht geklaut worden.“
„Wie groß ist dieser Tresor?“ fragte Mister Palmer.
„So groß wie ein doppelter Kleiderschrank.“
„Und steht wo?“
„Auf dem B-Deck in einem Lager neben dem Tiefkühlraum.“ Der Erste Offizier versuchte zu lächeln. „Ich glaube, Sie können ruhig schlafen, meine Herren.“
„Haargenau damit ist es jetzt vorbei“, bemerkte Mister Palmer.
„Wir werden eine zusätzliche Wache einteilen lassen“, versprach der Schiffskapitän nach einer kleinen Pause.
„Beruhigend zu hören“, sagte Monsieur Prunelle. „Ich darf gar nicht daran denken, was mir in Paris passieren könnte, wenn ich ohne das Gemälde zurückkomme. Sie erinnern sich vielleicht daran, daß die Stadt eine sehr blutrünstige Vergangenheit hat.“
„Was mich betrifft, so müssen Sie mich jetzt entschuldigen“, verkündete Mister Palmer. „Ich habe ein Blitztelegramm an meine Versicherung in London abzuschicken.“
„Und ich muß sofort mit Paris Verbindung aufnehmen“, meinte daraufhin Monsieur Prunelle.
Die beiden Herren verbeugten sich knapp und gingen.
„Das hat uns gerade noch gefehlt“, stöhnte der Erste Offizier.
„Ist aber nicht zu ändern“, bemerkte Kapitän Stahlhut. „Und da im Augenblick ja wohl nicht mehr viel passieren kann, haue ich mich jetzt für ein paar Stunden in die Falle.“
In diesem Augenblick tauchten hinter dem Fenster an der Seitentür flachsblonde Haare und eine Stubsnase auf.
„Guten Morgen, Käptn“, rief der Page Axel Kannengießer von draußen.
„Komm rein“, rief Herr Stahlhut zurück.
Daraufhin wurde wieder einmal die Tür aufgestoßen, Wind pfiff herein, und dann stand Axel in seiner roten Pagenjacke zusammen mit Peter und Ulli vor dem Kapitän.
„Wenn Sie es gestatten“, sagte der Junge mit der Stubsnase, „möchte ich diesen beiden Landratten aus Berlin unser Schiff zeigen.“
Kapitän Stahlhut begrüßte die beiden jungen Passagiere, fragte sie nach dem Wetter in Berlin und wollte wissen, ob der Flug ruhig gewesen sei.
„Was uns betrifft“, meinte er schließlich, „so haben wir vorerst noch Wolken, zeitweise Regen und ein Meer, das ein wenig bewegt ist. Aber schon für übermorgen verspreche ich euch Sonne wie mitten im August.“
„Wo sind wir im Augenblick überhaupt?“ fragte Peter Finkbeiner.
„Etwa in der Höhe von Norfolk“, antwortete Kapitän Stahlhut. „Und Norfolk liegt genau vierzehn Meilen
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