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Der gelbe Handschuh

Der gelbe Handschuh

Titel: Der gelbe Handschuh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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Entschuldigung.“
    Herr Rehbein wurde wieder einmal an einen anderen Tisch gerufen. So erfuhren die Wagners und Finkbeiners vorerst noch nicht, womit der Körper der Dame Lisa Liranda verglichen werden sollte. Am Kapitänstisch gab es jetzt nur noch einen baumlangen Mann mit hellbauen Augen und schwarzen Haaren, über den der Tischsteward Rehbein noch nichts erzählt hatte. Er holte es nach, als er ein wenig später fünf Eisbecher auf den Tisch mit der Nummer 82 stellte.
    „Ein Mister Palmer aus London“, berichtete er. „Ich sehe ihn auch zum ersten Mal, und merkwürdig ist, daß sein Name nicht in der Passagierliste ausgedruckt ist. Aber vielleicht hat er erst im letzten Augenblick gebucht.“
    Der Mann mit den hellblauen Augen und den schwarzen Haaren am Kapitänstisch zündete sich gerade eine Pfeife an.
    „Die Suppe ist zu kalt“, beschwerte sich in diesem Augenblick ein Passagier am Nebentisch.
    Der Steward Rehbein entschuldigte sich wieder einmal, und während er sich umdrehte, fragte er auch schon: „Die Suppe ist zu kalt, mein Herr? Habe ich richtig gehört?“
    „Ja, zum Teufel!“ Der Passagier am Nebentisch setzte seine Beschwerde fort. Dabei knackte er ein knuspriges Brötchen mit der rechten Hand. Er hatte lange Bartkoteletten bis zum Kinn und neben sich eine Frau, die beinahe an allen Fingern große und glitzernde Ringe trug.
    Am gleichen Tisch saß übrigens auch Mister Hobbs mit seinen traurigen Fischaugen.
    „Vielleicht ist der Weg von der Küche zu weit“, ließ sich der Brötchenknacker weiter hören. „Aber dann möchte ich einen anderen Tisch. Ich habe keine Lust, drei Wochen lang wie aus einem Eisschrank zu essen.“
    „Keine Sorge, Herr Schmidt“, sagte der Steward begütigend. „Sie werden künftig zur Klage keinen Grund mehr haben.“
    „Sollte mich wundern“, brummte der Passagier mit den langen Bartkoteletten. Dabei bemerkte er jetzt, daß die Finkbeiners und die Wagners zu ihm herüberblickten. Er überlegte einen kurzen Augenblick, und dann verbeugte er sich ein wenig. „Wenn ich mich vorstellen darf, mein Name ist Schmidt mit dt. Und das ist meine Frau. Wir haben in Düsseldorf ein Juweliergeschäft.“
    „Und die Frau Gemahlin trägt an ihren Fingern das halbe Schaufenster durch die Gegend“, wollte Herr Finkbeiner eigentlich sagen. Aber er schmunzelte nur und stellte sich gleichfalls vor.
    Anschließend taten die Wagners das gleiche. Dann prostete man sich zu und wünschte sich eine gute Reise. Auch Mister Hobbs schloß sich diesen Höflichkeiten an.
    An einem entfernteren Tisch neben der Musikkapelle standen jetzt plötzlich alle Passagiere auf und sangen für einen älteren Herrn mit weißen Haaren „Happy birthday!“. Der ganze Saal sang schließlich mit und applaudierte zum Schluß.
    „Thank you so much“, sagte der weißhaarige Herr anschließend. Er hatte jetzt einen großen Blumenstrauß in den Händen und feuchte Augen. Bordfotograf Weber stand plötzlich da und schoß ein paar Blitzlichter ab. „Wie eine große Familie“, stellte Herr Finkbeiner fest.
    Er entfernte dabei bedächtig das Cellophan von einer Zigarre und rollte sie zwischen den Fingern. „Sie gestatten?“ fragte er seine Frau. Und da kein Einspruch kam, ließ er sein Streichholz aufflammen.
    So etwa nach der zehnten oder zwölften Rauchwolke wanderten die Finkbeiners und die Wagners dann mit den anderen Passagieren zum Lift und ließen sich zu den drei großen Bars im Verandadeck transportieren.
    „Reisen ist wie Entweichen“, sagte gerade eine Dame, als die Berliner Familien an ihr vorbei in die Europa-Halle spazierten. „Nicht erreichbar sein, keine Post, kein Telefon...“
    Gleich darauf zitterten die Gläser auf den Tischen, und der Fußboden schwankte ein wenig.
    „Ja, wir kommen in eine Dünung“, erklärte ein junger Schiffsoffizier. „Aber ein wenig Seegang am Anfang ist kein Fehler. Sonst vergessen die Herrschaften ganz, daß sie auf einem Schiff sind.“
    Die Bordkapelle spielte, und die ersten Paare waren schon auf der Tanzfläche.
    Herr Schmidt mit dt aus Düsseldorf stand mit seiner Frau an der Bar und war auch hier schon wieder dabei, gute Laune zu verbreiten. „Steward“, rief er und hielt dabei sein Glas in die Luft. „Sehen Sie sich das mal an. Sie wollen mir doch nicht weismachen, daß das die richtige Art ist, eine White Lady zu mixen. Sie haben den Gin vergessen.“
    „Entschuldigen Sie, mein Herr“, sagte der Barsteward und nahm das beanstandete Glas

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