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Der gelbe Handschuh

Der gelbe Handschuh

Titel: Der gelbe Handschuh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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übrig.“
    „Nur darf die Sache nicht zur Gewohnheit werden!“ lachte der Portier aus dem Hotel Kempinski in Berlin.
    „Jedenfalls ist Ihre gute Laune nicht im Eimer“, freute sich das Marzipangesicht. „Das ist die Hauptsache.“ Dabei zauberte er frische Brötchen auf den Tisch, Honig, Erdbeermarmelade und Butter.
    „Ein bißchen schade ist es natürlich schon“, gab Frau Finkbeiner zu. „Die Kolibris und Papageien sollen gerade auf Trinidad besonders farbig sein.“
    „Die Marabus nicht zu vergessen“, bemerkte ihr Mann, der Apotheker.
    Die Decks lagen noch feucht und leicht dampfend in der Morgensonne, als die Wagners und Finkbeiners später ihren ersten Spaziergang machten.
    „Es ist ungefähr so, als hätte man uns Knall und Fall gesagt, daß heute die Schule ausfallt“, sagte Peter. „Plötzlich haben wir einen ganzen Tag in der Tasche und wissen nicht so recht, was wir mit ihm anfangen sollen.“ Und genau das gleiche Gefühl hatten auch die übrigen Passagiere. Sie trauerten vorerst noch dem verlorenen Landausflug nach und waren ein wenig ratlos.
    Aber dann spielte die Bordkapelle vom Verandadeck herunter, die Stewards hatten wieder einmal die Liegestühle aufgebaut und organisierten Wettspiele in Pingpong, Schwimmen, Decktennis, Shuffle-Board, Domino, Bingo, Bridge, Schach und Tontaubenschießen.
    „Die reinste Spielhölle“, bemerkte Apotheker Finkbeiner. „Las Vegas ist dagegen ein Kindergarten.“
    „Parken Sie hier, Mrs. Fuller“, rief Mister Wilkinson, als Ronny seine Tante im Rollstuhl über das Sonnendeck schob. Der Streichholzfabrikant hatte es sich in einem Liegestuhl bequem gemacht, angetan mit weißen Shorts, einem bunten Hemd und einer Segelmütze. „Nehmen Sie einen Drink mit mir, Mrs. Fuller?“
    „Angenommen“, antwortete die Amerikanerin mit ihrer tiefen Stimme. Sie trug heute ein Chiffonkleid, das in allen Regenbogenfarben strahlte, und dazu einen Hut, der so breitrandig war wie ein Sombrero.
    „Good morning, Mister Wilkinson“, grüßte Ronny. Dabei rollte er seine Tante neben den Liegestuhl des
    Streichholzfabrikanten mit dem englischen Schnurrbart und den buschigen Augenbrauen.
    „Guten Morgen, junger Freund“, grüßte Mister Wilkinson zurück. „Ich werde auf deine Tante aufpassen, du kannst dich als entlassen betrachten.“ Er lachte wieder einmal so schallend, daß die Seevögel, die auf den Rettungsbooten gesessen hatten, erschreckt durcheinanderflatterten.
    „Besten Dank“, sagte Ronny.
    „Es genügt, wenn du dich zum Mittagessen wieder an mich erinnerst“, meinte Mrs. Fuller.
    „Also bis zum Mittagessen“, wiederholte der Junge mit dem Bürstenhaarschnitt und trabte los.
    Er fand Ulli und Peter im viereckigen Schwimmbassin auf dem Oberdeck. Sie plätscherten, die Nase dicht über der Oberfläche, wie müde Goldfische zwischen den übrigen Passagieren herum.
    „Sterbenslangweilig“, stöhnte Ulli. „Du darfst nicht springen und nicht tauchen.“
    „Und beim kleinsten Wasserspritzer bricht die Revolution aus“, ergänzte Peter.
    „Dann schlagen wir uns sofort in die Büsche!“ rief Ronny, der wieder einmal in seiner farbigen Badehose steckte.
    Und das taten sie dann auch.
    Inzwischen hatte sich Mister Wilkinson das Hemd ausgezogen und sich in seinem Liegestuhl eine dicke Zigarre angesteckt.
    „Wenn ich ehrlich sein soll“, sagte er und blickte den Rauchwolken nach, die wie kleine Luftballons über die Reling segelten, „also wenn ich ehrlich sein soll, möchte ich Sie für ein Komplott gewinnen, für eine Art Verschwörung sozusagen.“
    „Ehrlich sein ist ziemlich kompliziert“, gab Mrs. Fuller zu bedenken. „Wenn Sie keine Übung haben, sollten Sie es lieber lassen.“
    Jetzt lachten beide im Duett, bis sie Tränen in den Augen hatten.

    Monsieur Prunelle aus Paris, der gerade in einem dunkelblauen Bademantel mit ein paar dicken Büchern unter dem Arm aus dem Lift kam, blieb belustigt stehen. Er rief „Bon jour“ herüber und suchte dann nach einem ruhigen Liegestuhl im Schatten an der Backbordseite.
    „Er kommt wie aufs Stichwort“, bemerkte Mister Wilkinson, wischte sich mit dem Taschentuch die Augen trocken und beugte sich dabei ganz dicht zu Mrs. Fuller hinüber.
    „Um ihn geht es nämlich“ flüsterte er.
    „Nun schießen Sie endlich los“, verlangte Mrs. Fuller.
    „Auf eine richtige Verschwörung hätte ich jetzt Appetit.“
    „Frauen sind die besseren Diplomaten“, begann Mister Wilkinson. „Deshalb soll die ganze

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